Wien / St. Louis – Am Donnerstag veröffentlicht Global 2000 den rund hundert Seiten umfassenden Bericht "Glyphosat und Krebs – Gekaufte Wissenschaft", der unter anderem aufzeigen soll, wie der US-Saatgutriese Monsanto aktiv daran beteiligt war, dass das Herbizid weiter verwendet werden darf.

Der gemeinsam mit Peter Clausing und Claire Robinson verfasste Bericht enthält zum Teil bekannte Argumente der Glyphosat-Gegner, jedoch hat das Thema durch die heuer auslaufende Zulassung des Herbizids und zuletzt durch in den USA publik gewordene E-Mails von Monsanto wieder an Brisanz gewonnen. Diese "legen den Verdacht nahe, dass Monsanto offenbar versucht hat, auf Studien einzelner Forscher Einfluss zu nehmen", schrieb die "Süddeutschen Zeitung" am vergangenen Mittwoch.

Wissenschaftliche Mängel

Studien, die nicht Einfluss auf die Zulassung gefunden haben, finden sich in dem Bericht: Helmut Burtscher, Umweltchemiker bei Global 2000 und Mitautor des Berichts, berief sich in einem Hintergrundgespräch unter anderem auf die Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC), die Glyphosat im Jahr 2015 in die Kategorie 2A – "wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen" – eingereiht hat. Schwere wissenschaftliche Mängel in den Industriestudien seien hingegen der Grund dafür, dass die EU-Institutionen dieser Sichtweise nicht folgen. Zuletzt hatte etwa die europäische Chemikalienagentur Echa die Substanz als "nicht krebserregend" eingestuft.

Der Argumentation der Glyphosat-Befürworter, dass die IARC die Beweislage, dass Glyphosat Krebs auslösen könnte, bewerte und nicht das Risiko, tatsächlich an Krebs zu erkranken, will sich Burtscher nicht anschließen. Dabei werde der in der EU-Pestizidverordnung von 2011 verankerte "gefahrenbasierte Ansatz" missachtet.

"Die IARC macht seit 40 Jahren nichts anderes, als gefahrenbasiert Krebsgefahren einzustufen – und das nach einem klaren Muster", sagt Burtscher. "Die IARC hat den Standard für diese Kunst weltweit vorgegebenen. Die europäischen Institutionen wenden diese ebenfalls an, und sie haben auch im europäischen Gesetz Niederschlag gefunden, indem der gefahrenbasierte Ansatz gewählt wurde."

Zulassung läuft Ende des Jahres aus

Die IARC stellte in der Begründung zu Glyphosat aufgrund von vier Herstellerstudien auch fest, dass es starke Beweise für eine Genotoxizität als krebserregenden Mechanismus gebe. Auch diese Einschätzung teilen die EU-Behörden nicht. "Sie wird geleugnet, indem man der Argumentation eines von Monsanto bezahlten Wissenschafters folgt", kritisiert Burtscher.

Für den Umweltchemiker ist es evident, dass Glyphosat beim Menschen Krebs auslösen kann: "Wie viele Fälle dadurch verursacht werden, weiß keiner. Vielleicht ein paar hundert, vielleicht ein paar tausend, vielleicht zigtausende – und das ist nicht annehmbar." Eine weitere Genehmigung, das Herbizid in der EU zu verwenden, sei mit einem inakzeptablen Risiko verbunden. Vermeiden könne man es durch die "Einhaltung der Gesetze und Wahrung der wissenschaftlichen Redlichkeit", heißt es im Vorwort des Berichts.

Die Zulassung läuft jedenfalls Ende des Jahres aus. Bis dahin müssen die EU-Staaten in einem Expertengremium eine Entscheidung finden, ob die Verlängerung genehmigt wird oder nicht. (APA, 22.3.2017)