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Linke Pragmatiker unter sich: der marxistisch orientierte griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos (li.) und sein niederländischer Kollege, der Sozialdemokrat Jeroen Dijsselbloem. Athen verhandelt immer noch über die Freigabe der nächsten Kreditrate.

Foto: REUTERS/Yves Herman

Sie waren die eigentlichen Adressaten der Stammtischäußerung von Jeroen Dijsselbloem, doch die griechische Regierung und ihr Sprecher Dimitris Tsanakopoulos fertigten am Mittwoch den Eurogruppen-Chef kühl ab. Eine Vorlage für Extremisten, den Graben zwischen Nord- und Südeuropa erweiternd und "nicht hilfreich", während Europa gerade in einer Phase des politischen Nachdenkens über seine nächsten Schritte sei, kommentierte der Regierungssprecher in Athen. Und Tsanakopoulos fügte hinzu: "Es ist unnötig, auf den sexistischen Aspekt dieser Bemerkung hinzuweisen."

In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hatte der niederländische Finanzminister, der seit 2013 die Eurogruppe führt, zur Kredithilfe für EU-Länder erklärt: "Als Sozialdemokrat halte ich Solidarität für äußerst wichtig. Aber wer sie einfordert, hat auch Pflichten. Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten."

Dijsselbloem will Aussage nicht zurückziehen

Dijsselbloem, dessen Arbeiterpartei (PvdA) bei den Parlamentswahlen vergangene Woche mit 5,7 Prozent und neun Abgeordneten das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hatte, wies am Dienstag in einer Fragestunde im Europaparlament die Aufforderung eines spanischen Abgeordneten nach einer Entschuldigung hochmütig zurück: "Nein, sicherlich nicht. Und Sie müssen meine Äußerung nicht vorlesen, denn ich kenne meine Äußerung. Sie kam aus diesem Mund", sagte Dijsselbloem. Am Mittwoch wurden in Italien, Portugal und Spanien Rücktrittsforderungen laut.

Dijsselbloem: "Bedauere Missverständnis"

Am Mittwoch Abend ruderte Dijsselbloem dann doch ein wenig zurück und bedauerte seine Aussagen. "Ich habe nicht die Absicht, zurückzutreten", sagte Dijsselbloem gegenüber niederländischen Medien. "Ich bedauere, dass meine Aussage missverstanden wurde und ich bedauere, dass es als 'Nord-gegen-Süd' aufgefasst wurde." Es tue ihm zudem leid, wenn sich jemand durch seine Äußerungen angegriffen fühle. "Es war direkt, es kann mit der calvinistischen Kultur und niederländischer Direktheit erklärt werden."

Wachsende Spannungen

Dijsselbloems stereotype Bemerkung über die angebliche Faulheit der Südeuropäer kam zu den neuerlich wachsenden Spannungen zwischen Griechenland und den Gläubigern hinzu. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble mischte sich zu Wochenbeginn in die griechische Innenpolitik ein und verlangte eine Zustimmung auch der Opposition im Parlament zu Sparmaßnahmen, die über das im August 2018 auslaufende Kreditprogramm hinausgehen sollen. Einer konstruktiven Lesart in Athen zufolge will Schäuble damit sicherstellen, dass sich auch die konservative Nea Dimokratia bei einem Regierungswechsel an die neu verhandelten zusätzlichen Auflagen hält.

Athen blockiert Vorbereitungen zu EU-Gipfel

Aus Verärgerung über die sich seit Oktober vergangenen Jahres hinziehenden Verhandlungen mit den Kreditgebern – es geht um die turnusmäßige Überprüfung der Finanzplanung der griechischen Regierung und ihrer bisher erreichten Ergebnisse – blockiert Athen die Vorbereitungen zum EU-Gipfel in Rom am Wochenende.

Die Kreditgeber verlangen mehrheitlich weitere Sparmaßnahmen in Höhe von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Dies betrifft insbesondere weitere Kürzungen bei den Pensionen und die Senkung des Eingangssteuersatzes von derzeit 8600 Euro Jahreseinkommen. Strittig bleibt auch die weitere Liberalisierung des Arbeitsmarkts. Die Kreditgeber – angeführt vom derzeit wiewohl nicht am Kredit beteiligten IWF – wollen unter anderem die Möglichkeit der Aussperrung streikender Arbeitnehmer festschreiben. (Markus Bernath aus Athen, 22.3.2017)