Berlin – Die der türkischen Regierung vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen gegenüber der eigenen Bevölkerung haben inzwischen Konsequenzen für die deutsche Rüstungsexportpolitik. Laut einer Antwort der deutschen Regierung auf eine Anfrage der Linken lehnte die Regierung in den vergangenen Monaten mehrere Anträge von türkischer Seite ab.

Das Wirtschaftsministeriums verwies dazu am Mittwoch in Berlin auch auf die Bewertung der Menschenrechtslage. Grundsätzlich unterliegen Rüstungsexporte in die Türkei als NATO-Partner keinen Beschränkungen, es sei denn, es sei "aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten", zitierte die Regierung in ihrer Antwort aus den geltenden Exportregeln. Der Beachtung der Menschenrechte werde dabei "ein besonderes Gewicht beigemessen". Dazu gehöre auch das Risiko eines Einsatzes der Waffen "im Kontext interner Repression oder des Kurdenkonflikts".

NATO äußert sich nicht zu Blockade

Die NATO will die deutsche Blockade von Rüstungsexporten in die Türkei nicht bewerten. "Jeder Bündnispartner kann selbst darüber entscheiden, an wen er Waffen verkauft und an wen nicht", sagte ein Sprecher am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Rüstungsgeschäfte zwischen Alliierten würden auch nicht innerhalb der NATO diskutiert.

Schon seit Ende 2016 mehrere Ablehnungen

Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" gab es seit November 2016 bereits in elf Einzelfällen eine Ablehnung türkischer Kaufwünsche. Dabei sei es um Handfeuerwaffen, Munition sowie um Teile zur Herstellung bestimmter Rüstungsgüter gegangen. Zwischen 2010 und 2015 seien dagegen insgesamt nur acht Anfragen abgelehnt worden.

"Das ist ein erster, richtiger Schritt", erklärte dazu der Linken-Politiker Jan van Aken. "Und der nächste muss sein, dass die Türkei keinerlei Waffen aus Deutschland bekommt." Die türkische Regierung führe Krieg, "im eigenen Land und in Syrien" und trete "immer diktatorischer" auf. "Angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen müssen aber jetzt alle Waffenexporte in die Türkei gestoppt werden", forderte van Aken weiter.

"Schritt weg von Demokratie"

Auch sonst blieb das deutsch-türkische Verhältnis trotz der Absage weiterer Wahlkampfauftritte türkischer Regierungspolitiker in Deutschland schwierig. Ob der Verzicht auf solche Auftritte im Vorfeld des türkischen Verfassungsreferendums ein Beitrag zur Deeskalation sein solle, könne sie nicht bewerten, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel dem Saarländischen Rundfunk. Mit Blick auf die von dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geplante Verfassungsreform verwies die Kanzlerin auf Kritik der sogenannten Venedig-Kommission des Europarats: "Das ist ein Schritt weg von der Demokratie", sagte Merkel.

Der neue deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief in der ersten Rede nach seiner Vereidigung als Staatsoberhaupt Erdogan zur Mäßigung auf: "Beenden Sie die unsäglichen Nazi-Vergleiche", sagte Steinmeier unter dem Beifall der Mitglieder von deutschem Bundestag und Bundesrat. "Respektieren Sie den Rechtsstaat und die Freiheit von Medien und Journalisten. Und geben Sie Deniz Yücel frei", forderte der deutsche Bundespräsident auch erneut die Freilassung des in der Türkei inhaftierten "Welt"-Korrespondenten. Yücel werden "Terrorunterstützung" und "Spionage" vorgeworfen werden, wofür die deutsche Bundesregierung keine Anhaltspunkte sieht.

Neue Attacken in Richtung der Europäer kamen unterdessen von Erdogan: "Wenn Sie sich weiterhin so verhalten, dann wird morgen weltweit kein Europäer, kein Bürger des Westens in Sicherheit und Frieden die Straßen betreten können", sagte Erdogan am Mittwoch bei einer Rede in der türkischen Hauptstadt Ankara." Der Präsident sagte nicht, wie seine Warnung konkret zu verstehen sei. Die deutsche Bundesregierung kommentierte die Äußerung zunächst nicht. (APA, 22.3.2017)