Ankara/Athen – Der diplomatische GAU bleibt aus: Tayyip Erdogan hat sich offenbar damit abgefunden, dass er dieses Mal keinen Kampagnenauftritt in Europa haben wird, um vor Auslandstürken für seine Verfassungsänderung zu werben. Das Führungsgremium von Erdogans konservativ-islamischer Partei AKP erklärte in einer Sitzung den Wahlkampf in Europa für das Referendum für beendet. Den Rückzieher nach einem drei Wochen dauernden, immer heftigeren Streit mit den Regierungen in Europa modelte die Parteiführung in Ankara in eine Erfolgsmeldung um. "Eine Fortsetzung ist nicht notwendig", hieß es in der Sitzung, wie türkische Medien am Mittwoch berichteten: "Wir haben eine wirksame, aktive Kampagne betrieben."

51 Abgeordnete der Regierungspartei hatten an 79 Wahlveranstaltungen in Europa teilgenommen. Ihre Stimmen können die Auslandstürken bereits vom nächsten Montag an bis zum 9. April abgeben, meist in Botschaften und Konsulaten.

Innerhalb der AKP rumort es allerdings. Ehemalige führende Politiker wie Parlamentspräsident Cemil Çiçek oder Europaminister Volkan Bozkir äußerten sich kritisch über die geplante Verfassungsänderung und die in dieser Form nie dagewesenen verbalen Angriffe gegen die europäischen Staats- und Regierungschefs. "Im Volk gibt es eine Vertrauenskrise", zitierte das Massenblatt Hürriyet den früheren AKP-Handelsminister Ali Coskun.

Erdogan selbst ficht das nicht an. In einer Rede vor Ortsvorstehern aus der ganzen Türkei legte er am Mittwoch erneut los. "Du lässt die Türen für den Präsidenten der Republik Türkei schließen, du wirfst seine Minister hinaus", warf Erdogan der deutschen Kanzlerin vor. Dann drohte er den Europäern: "Wenn ihr so weitermacht, wird es nirgendwo auf der Welt einen Ort geben, wo ein Westler seinen Fuß auf die Straße setzen kann!" (22.3.2107)