Alle Buben wollen Falsh Gordon sein, ich will Dr. Zarkow sein.

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Ich kann mich gut daran erinnern, wie die Zukunft mal war: Ein Ferienhaus am Mars, niemand muss hungern, nirgendwo tobt ein Krieg und religiöser Wahn ist nur eine böse Erinnerung. Dass Zukunft am Ende doch nur Internet ist, Social Media und Telefone die eigentlich vollwertige Computer sind und Hunger, Krieg und Religion das Tagesgeschehen.

Flash Gordon & Co

Das erste Buch, dass ich von Einband zu Einband lese ist Jules Vernes "20.000 Meilen unter dem Meer". Und schon damals ist es retro, weil es ja U-Boote längst gibt. Aber genau deswegen entwickle ich ein naives Vertrauen in die Vorhersagen von Sci-Fi Autoren. Ich rechne nach, wie alt ich sein werde, wenn das gelobte 21. Jahrhundert beginnt und versuche mir vorzustellen, auf welchen Planeten ich als erster Mensch landen werde.

Der Mars ist mein Favorit. Obwohl es Marsianer sind, die den Krieg der Welten auslösen. Das macht aber nichts, weil sie im Film (nicht der Version mit diesem depperten Scientologen) an Schnupfen krepieren. Sodass der Mars dann uns alleine gehört. Buck Rogers hingegen, ist in Jugoslawien nicht so populär. Alle Buben wollen Falsh Gordon sein, Ich will Dr. Zarkow sein. Weil ohne ihn Flash nur ein gut aussehender Snob bleibt, der Polo spielt. Die Mädchen wollen Dale Arden sein. Warum, ist mir bis heute nicht klar. Aura, die Tochter des Tyrannen Ming, ist selbstbewusst (und verliebt) genug, um sich gegen ihren mächtigen Vater aufzulehnen. Was man durchaus als Emanzipation vom Patriarchat lesen kann.

SF-Paradies Jugoslawien

Wenige wissen heute noch, dass Jugoslawien bei Filmen und Comix "aus dem Westen" keine Zensur übt. Und das die Science Fiction sogar einen besonderen, der Förderung würdigen, Status genießt. Selbst das offizielle Parteiorgan, die Tageszeitung Politika (Политика) bringt wöchentlich einen ganzen Sci-Fi Roman in Fortsetzungen.

Meine Oma sammelt die Freitagsausgabe (oder war es Samstag?) damit ich im Sommer in Sutivan alles lese, was sich so im Laufe des Jahres anhäuft. Ich liebe diese heißen, faulen Nachmittage im Reservezimmer des Hauses unter der großen Pinie, wo es wegen der dicken Wände immer angenehm kühl ist. In besonderer Erinnerung bleibt mir eine Story die beschreibt wie Menschen eine riesige künstliche Kugel im All entdecken, auf deren Innenseite wunderschöne Landschaften gedeihen und in deren Mitte eine Sonne Licht und Wärme spendet.

Ein anderes Vergnügen ist das Monatliche lesen des "Sirius". In dieser kleinformatigen Publikation sind Sci-Fi Kurzgeschichten aus aller Welt zu lesen. Es gibt sogar mehrere Sondernummern mit Yu-Sci-Fi. Von den Comics möchte ich gar nicht erst anfangen zu erzählen: Von "Luc Orient" bis zum "Trigan Empire" ist alles zu haben.

Der frohen Kunde Ende

Eine Weile sieht es so aus, als ob die Sci-Fi Propheten recht behalten werden. Der Vietnamkrieg endet auch deswegen, weil Junge Menschen in Massen dagegen protestieren. Atomkraftwerke werden als böse Alternative enttarnt und Frauen dürfen endlich selbst entscheiden, ob sie schwanger bleiben wollen oder nicht. Hydroponik verspricht Wüsten zum blühen zu bringen, die Viking Sonden landen auf dem Mars und die Genbiologie beweist nicht nur, dass wir untereinander und mit allen anderen Lebewesen verwandt sind und dass Darwin Recht hatte, sondern sogar dass Krebs vielleicht bald ausgerottet sein wird.

Inzwischen aber gibt es Politiker und "pressure groups", die die Erforschung des Alls für unnötige Geldverschwendung halten, Darwin eine "Gegentheorie" vorhalten, die in Schulen Kinder lehren soll, dass es auch Gott gewesen sein kann, der den Menschen ermöglichte und dass Stammzellenforschung eine Sünde ist, die verboten gehört.

So geht die Hoffnung meiner Kindheit auf eine lichte und von Vernunft geprägte Zukunft flöten und ich muss mich damit abfinden in einer globalen Dystopie zu leben in der Menschen das Sagen haben, die nur ein einziges Buch kennen und kennen wollen. Und sich zur Durchsetzung ihrer Ziele eben jener Leistungen der Wissenschaft bedienen – Internet, social Media und klugen Telefonen – deren Grundlagen sie gleichzeitig abschaffen wollen.

Zukunft, Sex und schamlose Sprache

Als ich in die Pubertät komme steigt auch mein Interesse am Sex in der Zukunft. Im wunderbaren Film mit dem Titel "Logans Run" sehe ich wie es sein könnte: Man hat eine Art Beamer, eine Kabine in der per Zufall potenzielle Sexpartner erscheinen. Sex ist ein genauso tabuloses, harmloses und tägliches Erlebnis wie gutes Essen. Wie schön ist das!?

Etwas später schätze ich Visionen, die eine Zukunft beschreiben, in der die ganze Welt ein Speakers Corner ist, nur das bessere Argument zählt und niemand wegen seiner Worte um sein Leben fürchten muss. Die Oberste Direktive lautet: "Reden und Leben lassen!"

Doch heute wache ich jeden Morgen in einer anderen Welt auf. Einer Welt in der nicht nur "böse Worte" mit einem Piepton zensuriert werden, sondern sogar die Lippenbewegungen des Sprechers. Wohl damit selbst die Gehörlosen auch noch vor "bösen Worten" geschützt werden. Vor zwei, drei Jahren bin ich mit meinem Kameramann Andi bei einer Demonstration zugegen, die von Menschen organisiert wurde, die gegen den Sexualkundeunterricht in Schulen demonstriert haben. In der Ankündigung war zu lesen, man wolle nicht, dass Kinder im Zuge des Unterrichts über die menschliche Fortpflanzung "unanständige Wörter" (sic!) lernen.

Das Video, stellen Andi und ich ins Netz. Besonderes Interesse erregt es nicht. Offenbar nimmt man die Feinde der Freiheit, ihr Tun und ihre Anliegen nicht als Gefahr wahr, sondern als Folklore. Vielleicht wachen wir, die Interessierten und Kritischen zusammen mit den Desinterresierten und den Unkritischen gemeinsam schon Übermorgen in einer Welt auf, in der Andersdenkende und Andersmeinende in Viehwaggons verladen und abtransportiert werden.

Zur Umerziehung. Oder – falls unbelehrbar – zur Endentsorgung.

Wer ist Carl Sagan?

Das weiß heute kaum jemand. Ein einziger Satz von ihm, der meine Kindheit nachhaltig prägt, enthält mehr Moral und Weisheit als in allen angeblich heiligen Büchern zu finden ist. Er lautet: "Somewhere something incredible is waiting to be known..."

Dieser Amerikanische Astronom ruft ein Projekt ins Leben, dass ich für eines der wichtigsten halte, dass der Menschheit je eingefallen ist: Die Suche nach intelligentem außerirdischem Leben. Das Akronym dazu lautet SETI, search for extraterrestrial intelligence. Es wäre so schön, wenn es irgendwo im All existieren würde und ich bin überzeugt, dass es der Fall ist.

Bei unserem Planeten bin ich mir inzwischen gar nicht so sicher. (Bogumil Balkansky, 26.3.2017)