Wien – Die Redakteursversammlung des ORF-Fernsehens verabschiedete am Donnerstag ohne Gegenstimme eine Resolution zur geplanten Channel-Struktur des ORF. Ihr Eindruck, auch nach einer Aussprache mit ORF-General Alexander Wrabetz: Die neue Struktur werde um politisch ausgedealte Kandidaten gebaut. O-Ton: "Diese Diskussionen sind für unsere journalistische Glaubwürdigkeit extrem schädlich und beschädigen das Image des ORF."

"Regierungsparteien würden ORF aufteilen"

"Alleine der Eindruck, die Regierungsparteien würden sich 50 Jahre nach der Umsetzung des ORF-Volksbegehrens den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter einander aufteilen, ist ein immenser Schaden für das Unternehmen", heißt es in der Resolution: "Eine proporz-mäßige Aufteilung der Fernsehkanäle, wie in den 60er Jahren, wünscht sich das ORF-Publikum ganz sicher nicht."

Die Resolution der TV-Redakteursversammlung im Wortlaut:

"Wir halten die Einführung von Channel-Managern im TV grundsätzlich für eine vernünftige Struktur – so wie es im Radio schon viele Jahre gelebte Praxis ist. Wir sind immer für Innovationen und Veränderungen offen, wenn es dadurch zu Verbesserungen im Programm und einem erkennbaren Mehrwert für das Publikum kommt. Keinesfalls wollen wir Strukturen, die in erster Linie neue Leitungsfunktionen, hohe Reibungsverluste und zusätzliche Kosten bringen. Denn diese Mehrkosten werden erfahrungsgemäß beim Programm eingespart. Die Redaktionen wurden in den vergangenen Jahren immer weiter ausgedünnt, bei gleichzeitiger Ausweitung der Programme. Qualität und Unabhängigkeit müssen oberste Priorität für den ORF haben.

In den vergangenen Wochen ist in der öffentlichen Diskussion der Eindruck entstanden, es gehe bei der neuen Struktur in erster Linie um bestimmte Personen, die in wichtige Führungsfunktionen aufsteigen sollen. Und dass es im Vorfeld Ihrer Wiederwahl offenbar Absprachen mit politischen Parteien gegeben hat, wer welche Position bekommen soll. Für uns stellt es sich so dar, als würde um diese Personen herum eine neue Struktur gebaut.

Diese Diskussionen sind für unsere journalistische Glaubwürdigkeit extrem schädlich und beschädigen das Image des ORF. Alleine der Eindruck, die Regierungsparteien würden sich 50 Jahre nach der Umsetzung des ORF-Volksbegehrens den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter einander aufteilen, ist ein immenser Schaden für das Unternehmen. Eine proporz-mäßige Aufteilung der Fernsehkanäle, wie in den 60er Jahren, wünscht sich das ORF-Publikum ganz sicher nicht. Und wohl ebenso wenig ein "in den Griff bekommen" oder "unter Kontrolle bekommen" der sehr erfolgreichen TV-Information, worunter wir nur einen verstärkten Zugriff durch die Politik wie in vergangenen Zeiten verstehen können.

Bereits Anfang März berichteten Medien darüber, dass StiftungsrätInnen konkrete Personen genannt wurden, wen Sie als Channel-Manager besetzen wollen. Obwohl es bis heute weder eine valide Arbeitsplatz-Beschreibung, eine neue Struktur und eine Ausschreibung für die entsprechenden Positionen gibt. Wir sehen es als Affront gegenüber allen qualifizierten Kolleginnen und Kollegen, die sich für die Position des "Channel-Managers" bewerben wollen, wenn schon vorher als ausgemacht gilt, wer diese Positionen bekommen wird.

Die geplante Zusammenlegung von Kultur, Wissenschaft, Religion und den Magazin- und Servicesendungen halten wir für problematisch, weil dadurch ein inhaltlich und größenmäßiger Bereich entsteht, der nur schwer zu koordinieren sein wird.

Wir erwarten von Ihnen die Einhaltung des ORF-Gesetzes und des Redakteursstatutes. Laut ORF-Gesetz ist "bei der Auswahl von Bewerbern um eine ausgeschriebene Stelle … in erster Linie die fachliche Eignung zu berücksichtigen." Parteipolitische Absprachen dürfen bei Postenbesetzungen keine Rolle spielen. Schon der Anschein einer politischen Besetzung schadet dem Ruf und der Glaubwürdigkeit des ORF.

Weiters wollen wir Sie an Ihren Vorschlag erinnern, den Sie in einem Interview mit dem "Standard" vor Ihrer Wiederwahl gemacht haben und in unserer heutigen Sitzung bekräftigt haben: die Abwahlmöglichkeit von Führungskräften nach einer bestimmten Zeit im Amt durch eine qualifizierte Mehrheit der RedakteurInnen. Sie haben in diesem Interview erklärt, Redakteursrechte müssten ordentlich abgesichert werden – und: "Gerade in Zeiten, wo rundherum alles im Fluss ist, werden demokratische Legitimation und stärkere journalistische Unabhängigkeit noch wichtiger." Wir teilen Ihre Einschätzung und schlagen daher vor, Verhandlungen über eine solche Verbesserung des Redakteursstatutes mit der Redakteursvertretung aufzunehmen. Und in den Dienstverträgen mit den neuen Führungskräften einen entsprechenden Passus zu verankern.

Die Redakteursvertretung wird beauftragt, die Vor- und Nachteile Ihrer heute präsentierten Struktur-Modelle zu evaluieren und einen Vorschlag zu erarbeiten. Dieser wird dann – so wie es das Redakteursstatut vorsieht – mit Ihnen diskutiert." (red, 23.3.2017)