Die Ukraine verbietet der Russin Julia Samoilowa die Einreise.

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Ein Auftragsmord als PR-Aktion; vielmehr als Geschütz für eine Schmutzkampagne: Mitten in Kiew ist der ehemalige Duma-Abgeordnete Denis Woronenkow erschossen worden. Der 45-Jährige hatte noch bis zum vergangenen September für die Kommunistische Partei im russischen Parlament gesessen, ehe er in die Ukraine flüchtete und dort als Zeuge gegen den in die andere Richtung geflohenen ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch aussagte und die Kreml-Führung wegen der Krim-Annexion kritisierte. Nach dem Mord schieben sich Kiew und Moskau nun gegenseitig die Schuld für die Tat zu.

Der Killer wartete vor dem Hotel auf Woronenkow und traf ihn viermal, zudem schoss er Woronenkos Leibwächter an, wurde bei der Tat aber ebenfalls tödlich verletzt. Ersten Angaben nach ist der Täter Ukrainer. Trotzdem verfolgt die Polizei vor allem eine russische Spur. In die gleiche Richtung kommentieren ukrainische Politiker: Es handle sich um "eine für den Kreml ganz gewöhnliche Zeugenbeseitigung", erklärte der ukrainische Generalstaatsanwalt Juri Luzenko. Präsident Petro Poroschenko beschuldigte ebenfalls Moskau und sprach von einem "Akt des Staatsterrorismus".

Die russische Führung verhehlt nicht, dass sie Woronenkow als "Verräter" betrachtet. Trotzdem nannte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Spekulationen über eine russische Spur "absurd". Der Mord zeige nur, dass in der Ukraine niemand sicher sei. Der kremlnahe Politologe Ruslan Miltschenko sagte, Woronenkow sei entweder Opfer seiner kriminellen Vergangenheit geworden oder vom Kiewer Geheimdienst liquidiert worden, um Moskau zu beschuldigen.

Überall steckt Politik drin

Das russisch-ukrainische Verhältnis ist nicht erst durch den Auftragsmord hassgeprägt. Selbst den an sich unpolitischen Eurovision Song Contest (ESC) nutzten beide Seiten für Provokationen und Machtdemonstrationen.

Nachdem im Vorjahr die Ukraine den Wettbewerb gewonnen hatte, gab es in Russland Stimmen, den ESC in Kiew zu boykottieren. Stattdessen nominierte der "1. Kanal" am Ende die im Rollstuhl sitzende 27-jährige Sängerin Julia Samoilowa für die Veranstaltung. Eine durchaus heikle Wahl, denn Samoilowa war 2015 auf der Krim aufgetreten, nachdem Russland sich die Halbinsel einverleibt hatte. Nach dem Maidan hatte sie zudem auf ihrer Facebook-Seite den neuen Machthabern in Kiew vorgeworfen, die "Ukraine an die EU ausliefern zu wollen", die das Land nur als Militärbasis für einen Aufmarsch gen Russland brauche.

Die Reaktion des ukrainischen Geheimdienstes (SBU) auf die Nominierung erfolgte so zuverlässig wie der Speichelfluss beim Pawlow'schen Hund: Der SBU erteilte Samoilowa wegen des Krim-Konzerts ein dreijähriges Einreiseverbot und unterband damit auch ihren Auftritt beim ESC-Finale in Kiew, was die russische Regierung wiederum als "zynischen und menschenverachtenden Akt" beklagte. Kritik kam aber auch von der Europäischen Rundfunkunion, die sich "enttäuscht" über das Einreiseverbot zeigte und es als "gegen den Geist des Wettbewerbs" gerichtet verurteilte. (André Ballin aus Moskau, 23.3.2017)