"Wenn die Zeit gekommen ist, werden wir uns zusammensetzen und eine Lösung finden", sagt Leitl zur Frage, wie lange er noch Präsident bleiben will.

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Wien – Innerhalb der Wirtschaftskammer sind heftige Diskussionen über die geplante Kammerreform ausgebrochen. Vier Landeskammern haben ihre Kritik an WKO-Präsident Christoph Leitl kundgetan, hinter vorgehaltener Hand war die Rede von einem "dilettantischen Reformprozess". Bei einer Aussprache am Donnerstag habe man vereinbart, das Ganze noch einmal von einem Expertenkomitee überarbeiten zu lassen, sagt Leitl im STANDARD-Interview. Wann sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin bestellt wird, lässt er noch offen.

STANDARD: Einige Länder haben massive Kritik an Ihren Plänen für eine Wirtschaftskammerreform (die Details finden sich hier) geübt. Verstehen Sie den Unmut?

Leitl: Das Projekt Kammer 4.0 ist sicher ein ambitioniertes, mit dem wir an unsere Grenzen gehen. Die Zielsetzungen der Kammerreform wurden von mir präsentiert, nachdem vorher einstimmige Beschlüsse gefasst wurden. Das war also intern akkordiert. Nachdem wir in den vergangenen Tagen die Begutachtung abgeschlossen haben, wurden die Ergebnisse am Donnerstag noch einmal eingehend diskutiert. Wir haben Übereinstimmung erzielt, das Ganze jetzt noch einmal von einem Expertenkomitee überarbeiten zu lassen und in die richtige Form zu bringen.

STANDARD: Der Kernvorwurf Ihrer Kritiker lautet: Man hatte fast ein Jahr Zeit, sich vorzubereiten, am Ende seien aber nur Überschriften vorgelegt worden beziehungsweise Sparziele im Ausmaß von 134 Millionen Euro, deren Umsetzung völlig unklar ist.

Leitl: Wir hatten einen mehrstufigen Prozess: Analyse mit Experten, eine Befragung der Funktionäre und schließlich Umsetzung durch eine Arbeitsgruppe. Aber der Teufel steckt wie so oft im Detail. Die offenen Fragen haben wir nun ausräumen können. Ich gehe davon aus, dass wir am 6. April diese Zielsetzungen im Wirtschaftsparlament beschließen werden und in der Folge in die konkrete Umsetzung gehen, damit am 1. Jänner 2019 die Beitragssenkung durchgeführt werden kann.

STANDARD: Ein hochrangiger Funktionär sprach sogar von einem "dilettantischen Reformprozess".

Leitl: Da muss sich jeder selbst an der Nase nehmen, der so etwas sagt. Wie gesagt: Es haben alle zugestimmt.

STANDARD: Es heißt, die Landeswirtschaftskammern in Kärnten und im Burgenland könnten nicht mehr alle ihnen per Gesetz übertragenen Leistungen erfüllen, wenn die Sparvorgaben umgesetzt werden. Ist es Ihr Ziel, so Druck auf eine Auflösung von Länderstrukturen zu machen?

Leitl: Nein, das ist nicht beabsichtigt. Es darf durch sinnvolle und notwendige Erneuerungsprozesse niemand über seine Leistungsfähigkeit hinaus belastet werden. Wenn jemand konkrete Probleme hat, dann muss man darüber nachdenken, wie diesen berechtigten Wünschen Rechnung getragen werden kann. Wir verstehen uns als solidarisches System.

STANDARD: Aber hätte man nicht vorher klären sollen, wie die Aufgabenteilung zwischen Bundes-WKO, den Ländern und den regionalen Strukturen ausschauen soll?

Leitl: Die Aufgabenteilung ist ja klar, die ist im Wirtschaftskammergesetz geregelt. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist: Wie können wir die Möglichkeiten einer digitalen Welt bei uns besser anwenden? Es wird nicht gespart, weil zu viel da ist, sondern weil neue Instrumente da sind. Es gibt keine Beitragssenkung auf Kosten der Leistungen. Das Angebot bleibt aufrecht, es wird aber auf zeitgemäße Leistungen angepasst – zum Beispiel mit der geplanten Innovationsagentur oder neuen Angeboten im Bereich der Weiterbildung.

STANDARD: Manche finden aber, dass die Wirtschaftskammer zu viel anbietet und sogar Unternehmen am Markt Konkurrenz macht – etwa im Bereich der Bildung.

Leitl: Wir bewegen uns mit vielen Angeboten nicht am freien Markt. Denken Sie an die Tourismusschulen in Tirol, Wien oder Oberösterreich. Die gibt es privat nicht. Das gilt auch für andere Bereiche: Lehre mit Matura, die Akademie des Handels. Wir müssen diese Dinge machen, damit wir qualifizierte Mitarbeiter für unsere Betriebe bekommen.

STANDARD: Angesichts der Unruhe in einigen Landeskammern bekommt man den Eindruck, dass schon der Kampf um Ihre Nachfolge im Gange ist. Die nächsten WKO-Wahlen finden 2020 statt, Sie können nicht mehr kandidieren.

Leitl: Ich glaube, dass derzeit schon in der Sache argumentiert wird. Aber natürlich kann diese Frage im Hintergrund eine Rolle spielen. Das kann und will ich nicht ausschließen. Es wäre auch natürlich, dass man sich über die Zukunft Gedanken macht.

STANDARD: Ist es nicht ein Problem, dass Ihre Nachfolge ungeklärt ist? Muss so etwas nicht Spekulationen und Grabenkämpfe auslösen?

Leitl: Von Grabenkämpfen will ich überhaupt nicht reden. Wenn die Zeit gekommen ist, werden wir uns zusammensetzen und eine Lösung finden. Aber es hat keinen Sinn, etwas vor der Zeit zu machen.

STANDARD: Wann wir die Zeit gekommen sein?

Leitl: Wenn wir das Kammerprojekt auf Schiene gebracht haben. Sie wissen: Die Beitragssenkung soll mit Anfang 2019 erfolgen. Nächstes Jahr hat Österreich zudem den EU-Ratsvorsitz. Europa ist in einer schwierigen Situation, da muss die Wirtschaft mitgestalten und einen Beitrag leisten.

STANDARD: Das heißt, bis Ende 2018 machen Sie auf alle Fälle noch weiter?

Leitl: Ich definiere diese Frage nicht nach Zeit, sondern nach der gestellten Aufgabe. Das wird zeitgerecht entschieden. (Günther Oswald, 24.3.2017)