München/Wien – Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) hat sich die Stärkung der ländlichen Regionen auf die Fahnen geheftet. Er schlägt vor, binnen zehn Jahren zehn Prozent der Bundesbehörden aufs Land zu verlagern. Das wären 3.500 Dienstposten, die aus Wien in Regionen verteilt werden könnten, sagte Rupprechter bei einem Arbeitsbesuch beim bayerischen Finanzminister Markus Söder (CSU).

Der Freistaat Bayern ist aus Sicht Rupprechters ein potenzielles Vorbild für die Republik Österreich, wenn es um die Dezentralisierung von staatlichen Stellen geht. Rupprechter will einem Brain-Drain vom Land Richtung Wiener Zentralraum entgegenwirken. Bis 2027, heißt es in einer vom Agrarministerium beauftragten Studie, wandern 50.000 gut ausgebildete Österreicher Richtung Bundeshauptstadt. Dabei wolle man "nicht Wien schwächen, sondern entlasten". Die Stadt wachse sehr stark und die Bundesverwaltung sei sehr zentralisiert, obwohl Österreich ein Bundesstaat sei.

Der Brain-Drain-Entwicklung will Rupprechter entgegenwirken und insofern als Vorbild vorangehen, als dass Bundesbehörden, wo möglich und vernünftig, in die Regionen sollen. So sollen Kompetenzen und qualitative Jobs in die Bundesländer zurückgebracht werden. "Es kann nicht sein, dass jeder, der Karriere machen will, in den Zentralraum ziehen muss", sagte der Minister am Freitag vor Journalisten in München. Dezentralisierung könne aber nur mit den Mitarbeitern und einem Change-Management-Prozess erfolgen.

Clusterbildungen am Land

Der ÖVP-Politiker sprach davon, dass mit einem Standortkonzept für Verwaltungseinrichtungen Kompetenzzentren entstehen könnten. In seinem Ressortbereich sei etwa geplant, in Rotholz in Tirol rund um eine landwirtschaftliche Lehranstalt eine Kompetenzregion zu errichten. In der vom BMLFUW beauftragten Studie "Dezentralisierung der Bundesverwaltung", die sich das Ministerium rund 10.000 Euro Kosten ließ, heißt es, dass als erstes ein politischer Konsens für die Zentralisierung hergestellt werden müsse. "Cluster-Bildungen können dezentral erfolgen", sagte Studienautor Peter Bußjäger.

Rupprechter erinnerte, dass sich ein Masterplan für die ländlichen Regionen im aktualisierten Regierungsprogramm finde. Der Masterplan werde zur Jahresmitte mit Erkenntnissen aus der Studie bereichert präsentiert werden. Auf die Frage, ob sich Rupprechter vorstellen kann, bei einer Dezentralisierung von Bundesstellen mit der SPÖ einen Konsens zu finden, sagte er: "Im Masterplan ist gezielt die Dezentralisierung angesprochen. Mit Infrastrukturminister (Jörg, Anm.) Leichtfried bin ich zu den Themen Infrastruktur, Breitband und Zusammenleben am Land in Abstimmung. Ich gehe davon aus, dass auch dem Koalitionspartner die ländlichen Regionen wichtig sind."

Bayerische Heimatstrategie

Söder, auch "Heimatminister" in Bayern, rief die weiß-blaue "Heimatstrategie" sogleich zum "Exportschlager" aus. Wenn man einmal mit Verlagerungen beginne, werde der Schritt für andere leichter. "Unser Heimatministerium steht für gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern." Im Freistaat wurden bisher 50 Behörden bzw. staatliche Einrichtungen mit mehr als 3.100 Mitarbeitern aus Ballungszentren in ländliche Regionen verlegt. Die neue bayerische Strategie sehe auch grenzüberschreitende Ober- und Mittelzentren unter anderem mit Österreich vor. Als gemeinsames Mittelzentrum gilt bereits Braunau am Inn in Oberösterreich mit Simbach am Inn in Bayern.

Ein Heimatministerium sei auch ein Ansatz für den deutschen Bund, glaubt Söder. Großstädte würden zunehmend überhitzen. Bayern habe sich mit der Gründung des Ministeriums bewusst für ein Gegenkonzept entschieden. Es gehe ums Management der Landesentwicklung: "Entschleunigung in Ballungsräumen, Beschleunigung im ländlichen Raum", so Söder, nicht zuletzt durch eine "intensive Digitalisierungsstrategie".

Behördenverlagerungen würden sich auszahlen und nur ohne Zwang stattfinden. So biete sich eine große Chance im Infrastrukturausbau. Rupprechter wollte sich davon "viele Anleihen holen". Er sehe sich auch als "Heimatminister", sagte er auf die Frage, ob er gerne "Heimatminister" wäre.

Zu den Beziehungen zwischen Österreich und Bayern sagte Söder, dass beide Länder freundschaftlich verbunden seien. "Vor drei Jahren wäre ein so enger Kontakt wie in dieser Österreich-Woche (Söder war diese Woche schon bei Finanzminister Schelling in Wien, Anm.) für meine Person schwerer gewesen", erinnerte er an die beendete "Klagssituation" rund um die frühere Hypo Alpe Adria, deren Mehrheitseignerin seinerzeit die BayernLB gewesen war. (APA, 24.3.2017)