Ein Blick durch das Bullauge macht sicher: Calvin kümmert sich nicht um Sicherheitsvorkehrungen.

Foto: Sony Pictures

Wien – In der Gesteinsprobe vom Mars findet sich Ungeheuerliches. Unter großem Aufwand und noch größerem Risiko auf die Internationale Raumstation ISS gebracht, wird der außerirdische Organismus unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen im Labor untersucht. Unter dem Mikroskop ähnelt der Einzeller einem durchsichtigen Blatt mit dunklen Äderchen. Grußbotschaften von der zivilen Weltbevölkerung und verhaltene Neugier bei der sechsköpfigen Besatzung bestimmen die ersten Tage nach der Entdeckung.

Deuscher Trailer.
SonyPicturesAustria

Doch nicht nur das fremdartige Leben will in Life zunächst bestaunt werden: Erwartungsvolle und angespannte Blicke durch Scheiben und Vergrößerungsgläser dominieren den knapp halbstündigen Prolog, wenn etwa die Sonde mit der Bodenprobe im letzten Moment an Bord geholt werden kann. Die Aufgabenverteilung unter den vier Männern und zwei Frauen ist klar definiert. Eine nicht zu versäumende, weil – wie sich im Einzelfall herausstellen wird – bald einzige Gelegenheit, die Persönlichkeiten und Befindlichkeiten der internationalen Crew kennenzulernen.

Denn kurz nachdem amerikanische Schüler bei einem Namenswettbewerb als Sieger hervorgegangen sind und nunmehr Calvin in eine Art Kältestarre gefallen ist, bleibt Life dafür nicht mehr viel Zeit: Wie ein naiver, der Faszination erliegender Schüler animiert der leitende Wissenschafter die bereits merklich gewachsene Lebensform, wird das Labor zum erweiterten Brutkasten des Bösen und die Erzählung die Raumstation nicht mehr verlassen.

Der schwedische Regisseur Daniél Espinosa und sein britischer Kameramann Seamus McGarvey haben sich für diesen US-Blockbuster prominente Referenzfilme zum Vorbild genommen. Doch wiewohl sich Calvin wie Ridley Scotts monströses Ungeheuer in Alien – und wenige Wochen vor dessen eigener Fortsetzung Alien: Covenant – in den verwinkelten Gängen und Röhren der Raumstation einnistet und die Kamera wie jene von Emmanuel Lubezki in Gravity die Astronauten im Schwebeflug verfolgt, wirft Life seinen in Spurenelementen vorhandenen theoretischen Ballast recht schnell über Bord.

Extraterrestrische Leistung

Das geschieht mindestens im selben Tempo, in dem sich Calvin weiterentwickelt, sich mit der Einverleibung der Laborratte nicht zufriedengibt und bei seiner weiteren Nahrungssuche eine Firewall nach der anderen zu umgehen weiß. Einem wiederkehrenden Topos der Sciencefiction folgend, macht Life den Überlebenskampf der Crew zu einem zwischen menschlicher Intuition und extraterrestrischer Leistungsfähigkeit. Denn Calvin erweist sich auch als Intelligenzbestie.

Englischer Trailer.
Sony Pictures Entertainment

Als Horrorkammerspiel gibt Life sein Bestes – und das gelingt Espinosa über weite Strecken erstaunlich gut. Je mehr die Raumstation zum Gefängnis mutiert, desto enger werden die Räume für die Eingeschlossenen und hektischer die Gegenmaßnahmen. Denn die wachsende Stärke des einen geht, so will es das eherne dramaturgische Gesetz, mit der zunehmenden Schwächung der anderen einher. Die Besatzung, das sind die Zauberlehrlinge einer fortschrittsgläubigen Zivilisation, die angesichts des außer Kontrolle geratenen Übels dennoch ihrer Technik vertraut und in einem gallertartigen Wesen ihren Meister findet.

In seiner zügig inszenierten Abfolge an Standardsituationen erinnert Life eher an ein B-Movie aus den 40er- und 50er-Jahren als eine High-Concept-Produktion der Gegenwart, in dem heutige Stars wie Jake Gyllenhaal und Ryan Reynolds nicht aus dem Mannschaftsschatten treten. Der eigentliche Star ist jemand anderes.

Dass der Horror in Life die klassische Sciencefiction in den Hintergrund drängt, ist zugleich Hinweis auf die aktuelle Renaissance des Genres, das von der Komödie (The Marsian) bis zum Philosophieseminar (Arrival) reicht. Nur dass die Wiederbelebung im Weltall hier mit einer Geburt der etwas anderen Art einhergeht.

Wenn die Astronauten irgendwann zur Rettung in ihre Kojen und Kapseln schlüpfen, gehen sie also einfach den umgekehrten, verzweifelten Weg. (Michael Pekler, 24.3.2017)