Julia Samoilowa, Moskaus Kandidatin für den Eurovision Song Contest.

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Julia Samoilowa ist zur Gefahr für die Ukraine geworden. Dabei ist die junge Frau weder Terroristin noch Separatistin, sondern einfach nur Sängerin. Doch wenn sie singt, vergisst nicht nur sie, dass sie im Rollstuhl sitzt. "Ich mag das Wort Behinderte nicht. Meine Möglichkeiten mögen beschränkt sein, aber meine Wünsche sind grenzenlos", sagt die 27-Jährige über sich selbst.

Ihr größter Traum war ihren eigenen Worten nach ein Auftritt beim Eurovision Song Contest (ESC), doch diese Chance soll der Frau mit dem breiten Lächeln aus der nordrussischen Teilrepublik Komi aus politischen Gründen verwehrt bleiben. Samoilowa ist zum Spielball der Intriganten im russisch-ukrainischen Konflikt geworden.

Der ukrainische Geheimdienst SBU hat ihr die Einreise für drei Jahre verboten, weil sie 2015 bei einem Konzert auf der Krim aufgetreten ist, ohne sich vorher in Kiew eine Erlaubnis dafür einzuholen. Seit dem Anschluss der Halbinsel an Russland ein Jahr zuvor sind die Beziehungen zwischen Moskau und Kiew ruiniert.

Samoilowa hat in einem Facebook-Eintrag auch die neue Regierung in Kiew unmittelbar nach dem Maidan kritisiert. Weder der Eintrag noch das Konzert machen sie aber zu einer politischen Aktivistin, die gegen die Ukraine hetzt.

Für Samoilowa ging es im Leben stets darum, sich trotz ihrer Erkrankung an spinaler Muskelatrophie selbst zu verwirklichen – und das ist ihr in der Musik gegen alle Widerstände geglückt. Sie hatte eine eigene Rockgruppe, tingelte über regionale Musikfestivals und schlug sich als Sängerin in Restaurants durch, ehe sie vor vier Jahren ihren Durchbruch feierte. Bei der von der russischen Pop-Diva Alla Pugatschowa veranstalteten Show Faktor A rührte ihre Stimme selbst Pugatschowa zu Tränen. Seither ist sie im Showgeschäft erfolgreich, sang etwa bei der Eröffnung der Paralympics in Sotschi.

Ihre Nominierung für den ESC durch den staatlichen Ersten Kanal hat einen Beigeschmack: Das Lied Flame Is Burning stammt nicht von ihr. Der Sender hat ihr den Song für den Wettbewerb angedient, sie selbst kann kein Englisch. Dass der Erste Kanal mit ihrer Behinderung Pluspunkte sammeln und nebenbei die Ukraine durch den bekannten Krim-Auftritt provozieren wollte, ist anzunehmen. Problematischer ist, dass Kiew sich provozieren ließ und Dummheit statt Menschlichkeit demonstrierte. Das ist die tatsächliche Gefahr, die der Ukraine durch Samoilowa droht. (André Ballin, 24.3.2017)