Mit einer Privataudienz bei Papst Franziskus hat am Freitag in der italienischen Hauptstadt der EU-Jubiläumsgipfel zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge begonnen. 27 der 28 Staats- und Regierungschefs kamen am Abend in den Vatikan, um den Ermunterungen und dem Segen des Kirchenoberhauptes zu lauschen. Nur die britische Premierministerin Theresa May war nicht dabei. Sie wollte mit Blick auf den geplanten EU-Austritt ihres Landes und den für Mittwoch vorgesehenen offiziellen Brexit-Antrag ihres Landes explizit nicht teilnehmen.

Denn das Treffen sollte nicht nur dem feierlichen Gedenken an die "alten" Ideale des EWG-Vertrages, von Wirtschafts- und Atomgemeinschaft dienen, sondern vor allem der Zukunftsperspektive der EU-27. Am Samstag wollten die Staats- und Regierungschefs im historischen Rathaussaal auf dem Kapitol eine "Erklärung von Rom" unterzeichnen. Wie der STANDARD berichtete, sollte darin die mögliche Entwicklung der Union in den kommenden zehn Jahren beschrieben werden.

Zum einen wollen die Mitglieder nach dem Brexit die Wirtschafts- und Währungsunion vertiefen, durch die bisher auf EU-Ebene eher unterbelichtete Sozialpolitik ergänzen. Zum anderen ist der Ausbau einer "Sicherheitsunion" geplant, militärisch wie zum Schutz der Außengrenzen, in engem Konnex zur Nato.

Um die Entwicklung nach dem Konzept der "verschiedenen Geschwindigkeiten" hatte es bis zuletzt Debatten gegeben. Polen wollte die Erklärung boykottieren, weil es ein "Kerneuropa" ablehnt, darauf beharrt, dass es nur eine einheitliche Vorgangsweise (damit ein Vetorecht einzelner) geben dürfe. Aber Warschau lenkte ein. Befürchtet wurden gewaltsame Proteste von EU-Gegnern.

Mahnung zur Solidarität

In einer beeindruckenden 30-minütigen Rede erinnerte der Papst an den Geist, in dem die Gründerväter die heutige Union begonnen hätten: "Europa ist nicht die Summe der einzuhaltenden Regeln, es ist ein Leben, die Art, den Menschen in seiner unveräußerlichen Würde zu begreifen." Von Anfang an sei "klar gewesen", dass "der Mensch das pulsierende Herz der Institutionen sein" sollte. Auch in der heutigen Zeit müsse Solidarität an erster Stelle stehen. Aus "der Solidarität entspringt die Fähigkeit, sich für andere zu öffnen", sie dürfe nicht nur Absicht sein, sondern zeige sich "in Taten und Handlungen".

Darin müsse das neue Europa wieder Hoffnung finden, fuhr Franziskus fort, und die Solidarität sei auch "das wirksamste Heilmittel gegen den Populismus". Denn: "Wenn einer leidet, dann leiden alle", redete das Kirchenoberhaupt den EU-Chefs ins Gewissen. Populismus sei Ausdruck des Egoismus. In diesem Sinn sei auch "die Flüchtlingskrise nicht ein zahlenmäßiges, wirtschaftliches und die Sicherheit betreffendes Problem" , sie berühre eine tiefe Frage der europäischen Kultur. (Thomas Mayer aus Rom, 24.3.2017)