Da soll noch einer sagen, die Leipziger Buchmesse biete nicht jedem etwas. Man staunt hier immer wieder, was sich aus Buchstaben in verschiedener Anordnung und Reihenfolge nicht alles Hübsches machen lässt. Zum Beispiel ein Buch mit dem philosophischen Titel Sehnen lügen nicht, das ein gewisser Achim Achilles verfasste. Es handelt sich dabei um den ehemaligen Spiegel-Journalisten Hajo Schumacher. Dem Publikum wird er heute gern als Wunderathlet vorgestellt, der versuche, ganz nach dem Motto "Qualität kommt von Qual" zu leben. Was man ihm gar nicht ansieht.

Locker gab sich hingegen SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der gestern die Messehallen heimsuchte. Der ehemalige Buchhändler betonte mit ernstem Ich-kann-Schulz-Gesicht, literaturaffin geblieben zu sein. Im Moment liest er gerade die Tagebücher Ernst Jüngers und hat dabei festgestellt, dass der 1998 102-jährig verstorbene Autor im Verlauf seines Lebens immer linker geworden sei. Hoffentlich bleibt dem SPD-Chef bei aller Jünger-Lektüre Zeit, einen Blick in den am Freitag in Auszügen vorgestellten "Armuts- und Reichtumsbericht" zu werfen.

Wort als Zwangsjacke

Abwesend und doch präsent ist hier Martin Walser, der eben seinen 90er feierte. Politisch stets von irgendeiner Seite angefeindet, betonte der Dickschädel ein langes Autorenleben lang, dass auf dem Papier etwas anderes stattfinden dürfe als in der Wirklichkeit. Oder wie es in seinem neuen Roman Der letzte Rank heißt: "Wie soll es in einer Wörterwelt Freiheit geben, in der es Gewissheit gibt. (…) Gewissheit ist genau das, was ein Wort nicht sein darf: Es ist ein Wort als Zwangsjacke." (Stefan Gmünder aus Leipzig, 24.3.2017)