Onea mit seiner Paralympics-Bronzemedaille von Rio. In London 2012 hatte er die Medaille noch knapp verpasst.

Foto: Alex Cristurean

Das 100-m-Brust-Finale bei den Paralympics in Rio mit Onea.

Paralympic Games

Wien – 5400 Meter schwimmen am Vormittag, 5000 am Nachmittag. Es ist einer der intensiveren Trainingstage für Andreas Onea. Eine der intensiveren Trainingswochen. Deshalb ist Gerhard Pukl da. Quasi als moralische Unterstützung. Pukl ist Sportwissenschafter. Seit 2012 gehört er zu Oneas Team. In Absprache mit Coach Alexander Keck entwickelt er die Trainingspläne.

Rund 1000 Stunden hat Pukl an einem neuen Trainingsprogramm gearbeitet. Aus mehr als 500 Seiten besteht die Datei. "Ich kann damit genaue biomechanische Prognosen machen." Für jeden Monat werden Trainingspläne geschrieben. Am Ende des Monats erfolgt der Soll-/Ist-Abgleich.

Das System funktioniert. Aber Menschen sind keine Maschinen. Oneas Befinden wird selbstverständlich berücksichtigt. Der 24-Jährige, dem der linke Arm fehlt, kommt gut klar mit der Trainingsplanung. Und seit Oktober ist ohnehin vieles einfacher. Da wurden die ersten fünf Parasportler ins Bundesheer aufgenommen. Der Kanute Markus Mendy Swoboda, der Läufer Günther Matzinger, der Tischtennisspieler Daniel Pauger, der Tennisspieler Nico Langmann und eben Onea.

Training nach Plan – ein kleiner Auszug aus dem von Sportwissenschafter Gerhard Pukl erstellten Programm für Onea.
Foto: Pukl

Lästige Pendelei fällt weg

Früher musste der Schwimmer von seinem Wohnort Deutsch-Wagram nach Wien pendeln. "Ich bin zwei Stunden am Tag im Auto gesessen." Zwischen den Trainings im Stadionbad hat er sich schon einmal im Auto ausgeruht. Jetzt wohnt und trainiert er in der Südstadt. Pukl: "Wegen des besseren Umfelds kann er die Trainingsvolumina besser wegstecken."

Einziger Haken: Im Leistungszentrum hat Onea keine ihm zugewiesene Bahn, er muss fragen, wo er schwimmen darf. Zwei- bis dreimal pro Einheit wechselt er die Bahn. Aber bei der nächsten diesbezüglichen Planung soll er berücksichtigt werden.

Seit November ist Onea wieder voll im Training. Davor brauchte er eine Pause. Im September hat er sein großes Ziel erreicht: eine Medaille bei den Paralympics. Onea gewann Bronze über 100 Meter Brust. "Die erste Zeit danach wollte ich mit Wasser nichts zu tun haben." In der Versenkung verschwand er aber keineswegs. Er war Kandidat bei der Millionenshow, moderierte Sendungen für Licht ins Dunkel, hielt Vorträge an Schulen und in Unternehmen.

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Der Jubel über die so heiß ersehnte Medaille in Rio war riesengroß.
Foto: Reuters/Sergio Moraes

Überleben

"Es war eine spannende Zeit", sagt Onea, der seit 2012, alternierend mit Claudia Lösch, das Behindertensportmagazin Ohne Grenzen auf ORF Sport+ moderiert. Die Medaille hat sich positiv auf seinen Bekanntheitsgrad und auf die finanzielle Situation ausgewirkt. Freilich, alles hält sich noch in Grenzen. "Ich kann überleben."

Bei einem Autounfall im Mai 1998 verlor der damals fünfjährige Onea seinen linken Arm. "Eigentlich hätte ich sterben müssen. Ich bin Gott dafür dankbar, dass ich lebe." Der Unfall, sagt er, habe ihm Türen geöffnet. Während der Therapie begann er mit dem Schwimmen. Irgendwann entwickelte sich daraus Leistungssport. Onea ist sehr gläubig, gehört der Pfingstkirche an. "Wir sind bibelnähere Protestanten." Jeden Sonntag geht er in die Kirche, er leitet eine Jugendgruppe.

Verantwortung übernimmt der Sohn rumänischer Einwanderer auch als Sportler. Onea ist nicht auf den Mund gefallen, übernimmt gerne eine Botschafterrolle für den Parasport. Die Wörter "Behindertensport" oder "Behinderte" versucht er, zu vermeiden. "Menschen mit Behinderung" klingt aus Oneas Sicht besser. Und irgendwann, sagt er, "wird die Inklusion kommen müssen".

Inklusion, das große Thema

Bei einigen österreichischen Sportfachverbänden wurden die Parasportler bereits integriert. Bei manchen funktioniert das gut, bei manchen weniger. "Es besteht die Gefahr, dass die Parasportler untergehen." Schwimmer Onea wird noch von Para-Sport Austria betreut. Beim Schwimmverband (OSV) ging es in den vergangenen Jahren turbulent her. "Es war gut, dass wir in der schwierigen Phase nicht beim OSV waren." Grundsätzlich, sagt Onea, sei der Spitzensport einfacher zu integrieren, als der Nachwuchssport. Weil es schlichtweg weniger Spitzensportler gebe.

Onea absolviert nicht viele Wettkämpfe. Das geht ins Geld. Dafür lässt sich das Training besser planen.
Foto: privat

Bei den paralympischen Schwimmbewerben in Rio traten nur er und Sabine Weber-Treiber für Österreich an. Onea bereitet sich derweil schon auf die nächsten Paralympics – 2020 in Tokio – vor. Parasportler stehen nur alle vier Jahre im Fokus. Etappenziele gibt es natürlich. Heuer ist es die Weltmeisterschaft Anfang Oktober in Mexiko-Stadt. Davor absolviert er ein Höhentrainingslager in der Sierra Nevada. Und weil das ins Geld geht, gehen sich daneben nicht mehr viele Wettkämpfe aus. Insgesamt vier internationale sind in diesem Jahr geplant.

Onea, "ein Wahnsinnsarbeiter"

Immerhin, weniger Wettkämpfe machen die Trainingssteuerung einfacher. Natürlich sei es manchmal zach, die Bahnen alleine auf- und abzuschwimmen. Aber Onea hat stets seine Ziele vor Augen. Deswegen spult er sein Programm planmäßig ab. "Ich habe keine Lust, mich selbst zu betrügen", sagt er. "Er ist ein Wahnsinnsarbeiter", sagt Pukl.

Und weil in seiner Klasse auch Athleten schwimmen, denen "lediglich" ein Unterarm fehlt, muss Onea "eben mehr trainieren". An diesem Tag mehr als zehn Kilometer. In dieser Woche 36. Es kommen auch wieder weniger intensivere Trainingstage, und weniger intensivere Wochen. (Birgit Riezinger, 27.3.2017)