Die elfjährige Veronika ordnet mit dem Computer dem "Zauberbrett" Buchstaben zu. Ihre beiden Klassenkollegen Hanna (11) und Edin (9) schauen ihr bei ihrer Übung zu. In der Sonderschule für körperbehinderte Kinder in Salzburg wird der Lehrplan und der ganztägige Unterricht individuell den Schülern angepasst.

Foto: Hannes Huber

Salzburg – "Hallo, mein Name ist Veronika", ist aus dem pinkfarbenen Tablet der Elfjährigen zu hören. Veronika hat eine Zerebralparese und kann sich schwer artikulieren. Deshalb nutzt sie einen Talker, der für sie spricht. Mit 64 verschiedenen Symbolen bildet Veronika Wörter und Sätze. Drei verschiedene Symbole ergeben ein Wort. Sie tippt auf ein Herz, ein Minus und die Ziffer 1. "Traurig", spricht die Computerstimme. "Warum bist du traurig, Veronika?", fragt ihr Lehrer Thomas Urschitz. "Mama", sagt der Talker.

Das komme hin und wieder vor, erklärt Urschitz. Veronika sei in der Pubertät. Wie sie die unterstützte Kommunikation bedient, hat sie in der Allgemeinen Sonderschule für körperbehinderte Kinder in der Stadt Salzburg gelernt. Ihr Klassenkollege, der neunjährige Edin, ist fast bewegungsunfähig. Er lernt derzeit, sich mit einer Augensteuerung auszudrücken.

"Das größte Ziel der Schule ist die Selbstbestimmtheit", sagt der Sonderschulpädagoge Thomas Urschitz. Deshalb wird auch der Lehrplan höchst individuell an die Kinder angepasst. In den Klassen sind je fünf Schüler. Alle Kinder, die in die Sonderschule gehen, haben einen erhöhten Förderbedarf. Unterrichtet werden die Lehrpläne der Volksschule, der Neuen Mittelschule und der Polytechnischen Schule in der verschränkten Form der Ganztagsschule. Viele Schüler sind mehrfach behindert, sowohl geistig als auch körperlich. Bei einigen ist an ein Erlernen der grundlegenden Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben nicht zu denken.

Übungen am Computer

In Urschitz' Klasse ist das anders. Die fünf Schulkinder lernen sehr wohl Lesen, Schreiben und Rechnen. Veronika ist dabei, am Computer Buchstaben zu ordnen. Die Sprachsteuerung sagt "Gib das O auf das Zauberbrett." Hanna sucht das O aus einem Haufen Holzbuchstaben und legt es auf einen mit dem Computer verbundenen Sensor.

Die elfjährige Hanna, sitzt ebenfalls am PC. Sie hat einen Stapel Zettel vor sich, auf denen Farbbezeichnungen stehen. Sie nimmt einen Zettel heraus und tippt das Wort mit ihrer linken Hand auf der Tastatur. Hanna hat nur noch ihre rechte Gehirnhälfte und eine halbseitige Lähmung. Im nächsten Schuljahr wird sie in eine andere Klasse – zu den Großen – wechseln.

Die Klassen in der Sonderschule für körperbehinderte Kinder sind nicht nach dem Alter der Schülerinnen und Schüler eingeteilt, sondern nach ihrer Leistungsentwicklung. Eine Glocke gibt es nicht. Die Unterrichtszeiten werden den Kindern angepasst. "Wenn es gerade gutgeht, dann arbeiten sie weiter", sagt Direktor Hannes Liegle. Drei Klassen haben auch einen späteren Unterrichtsbeginn. "Die Eltern brauchen in der Früh einfach länger, ihre Kinder für die Schule fertig zu machen", erklärt Liegle.

Hanna läuft die Stufen hoch und holt den Ausdruck ihrer abgetippten Wörter aus dem Konferenzzimmer. Vor einigen Jahren saß sie noch im Rollstuhl. Nun kann die Elfjährige mit einer halbseitigen Lähmung bereits wieder gehen. "Wir können die Entwicklung der Kinder gut begleiten, sodass die Fortschritte zum Teil enorm sind", sagt Urschitz.

Ergo- und Physiotherapie und das Erlernen von Bewegungen ist ebenfalls ein wichtiger Teil des Unterrichts. "Das braucht viel Zeit", sagt der Sonderpädagoge. Etwa zu lernen, sein Gewicht zu verlagern oder aufrecht zu sitzen.

Multidisziplinäres Schulteam

Die Übung werde bei alltäglichen Tätigkeiten wie Händewaschen oder Auf-die-Toilette-Gehen immer wieder eingebaut. Neben den zwölf Sonderpädagogen sind auch drei Therapeutinnen, Pflege- und Betreuungspersonal an der Schule beschäftigt. Jede Klasse hat neben einem Lehrer auch eine Betreuerin. Wichtig ist auch die Einbindung der Eltern. Gemeinsam mit dem Schulteam werden Ziele für die Kinder gesetzt, ein Lernplan und Lösungen für die Herausforderungen des Alltags ausgearbeitet.

In der Diskussion, die Sonderschulen abzuschaffen, plädiert Urschitz für die Wahlfreiheit. Viele Förderungsmaßnahmen, die in der Sonderschule umgesetzt werden, seien derzeit in Inklusionsklassen nicht machbar. "Manche Kinder brauchen ein ruhigeres Setting", sagt der Sonderpädagoge. "Menschen mit Behinderungen und deren Familien wissen selbst, welcher Bildungsweg der richtige für sie ist."

Der neunjährige Edin übt derzeit, seinen Kopf gerade zu halten, damit er seine Augensteuerung bedienen kann. Die Übungen der Augensteuerung machen ihm Spaß, weil sie wie Computerspiele sind. Mit einem konzentrierten Blick auf ein Auto am Bildschirm setzt sich dieses in Bewegung. Nach der Übung kann Edin die Augensteuerung als Talker verwenden und so kommunizieren. (Stefanie Ruep, 27.3.2017)