Hans Jörg Schelling: im Gespräch, aber kein Favorit.

Foto: apa/Georg Hochmuth

Rom – Nach missverständlichen Aussagen von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem über die undisziplinierte Haushaltspolitik von südeuropäischen Mitgliedsländern in der Eurozone gibt es weiterhin Gerüchte über dessen Ablöse. Der Niederländer, der im Hauptberuf sozialdemokratischer Finanzminister seines Landes ist, hatte vergangene Woche in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen erklärt, es sei Ausdruck des Mangels an Solidarität, wenn Europartner exzessive, nichtnachhaltige Schuldenpolitik machten, um dann um Hilfe der anderen Staaten zu bitten. Er, Dijsselbloem, könne auch nicht sein Geld für "Schnaps und Frauen ausgeben" und dann andere um Geld bitten, sagte er. Dieses krasse Sprachbild führte zu heftigen Reaktionen aus Spanien und Portugal. EU-Abgeordnete von Grünen und Linkspartei forderten seinen Rücktritt als Chef der Eurogruppe.

Das lehnte er ab. Er habe das nicht auf bestimmte Länder bezogen. Nach anfänglichem Weigern entschuldigte er sich aber für seine Wortwahl. Von den Finanzministern der Eurogruppe wird Dijsselbloem nach wie vor getragen. Dennoch dürfte der Vertrag des Niederländers nach Auslaufen des Mandats Ende 2017 nicht mehr verlängert werden. Denn Dijsselbloems Arbeiterpartei wird nach der schweren Wahlniederlage nicht mehr in der Regierung sein, er nicht mehr Finanzminister.

Monatelange verhandlungen

Die Koalitionsverhandlungen in Den Haag werden aber vermutlich Monate dauern. In der Eurogruppe besteht Konsens, dass Dijsselbloem seine Arbeit über die Sommerpause fortsetzt. Im September finden in Deutschland Wahlen statt. Erst dann, wenn klar ist, wer in Berlin (und ab Juni in Frankreich) regiere, werde man sich über die Spitze der Eurogruppe Gedanken machen und entscheiden können. Favorit für das Amt des Eurogruppenchefs ab 2018 ist seit langem Luis de Guindos, ein Konservativer aus Spanien, der von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble unterstützt wird. Er war bereits vor zwei Jahren ein "heißer Kandidat". Dass der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) als "Topfavorit" Dijsselbloem beerbt, wie der Kurier vermutet, wird in der Eurogruppe bezweifelt. Auch wenn Wien diese Variante ins Spiel bringe, gelte Schelling in der Gruppe eher als stilles Leichtgewicht. Daher heißt es vorläufig abwarten, wie die Regierungskonstellationen in Berlin, Paris, Den Haag und Rom aussehen werden. Schelling könnte als Kompromiss ins Spiel kommen, wenn Nord- und Südländer, Haushaltsdisziplinfans und Staaten für lockere Geldpolitik einander blockieren. (Thomas Mayer aus Rom, 27.3.2017)