Man hat den Eindruck, dass sich manche europäischen, für die Außen-, Innen- und Sicherheitspolitik zuständigen Minister hauptsächlich mit Scheinlösungen für die globale Flüchtlingskrise und dem populären Türkei-Bashing beschäftigen. Die Warnungen internationaler Qualitätsblätter, bedeutender Fachleute und Politiker aus den direkt gefährdeten Ländern vor den Erfolgen der russischen Expansionsstrategie verpuffen fast wirkungslos.

Dass Präsident Wladimir Putin vor einigen Tagen mitten des Wahlkampfes für die französische Präsidentenwahl demonstrativ Marine Le Pen, die Führerin des rechtspopulistischen Front National, in Moskau empfangen hat, zeigt, dass die Rechnung aufgeht: Der Schulterschluss des Kremls mit dem westlichen Rechtspopulismus schürt die Unsicherheit und beeinflusst immer stärker die politische Entwicklung in der EU. Le Pen, die in den Umfragen führende Kandidatin, ist eine der lautesten Kritikerinnen der westlichen Sanktionspolitik, und bei der TV-Diskussion der Kandidaten forderte sie sogar die Anerkennung der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. Dass sich der von der KP unterstützte linke Mélenchon und der durch Korruptionsaffären diskreditierte konservative Fillon auch dafür ausgesprochen haben, war ein symbolträchtiges Zeichen.

Marine Le Pen, die bereits vor zwei Jahren von einer Kreml-nahen Bank mit einem Kredit von neun Millionen Euro gefördert worden ist, bewundert wie viele Rechtspopulisten – unter anderem in Deutschland (AfD), Österreich (FPÖ), Bulgarien (Ataka), Estland (Zentrumspartei der ethnischen Russen) – Putin als einen starken nationalen Führer, der erfolgreich gegen die Bevormundung durch die EU und die US-Hegemonie, als Retter der westlichen Zivilisation, gefährdet durch Homosexuelle und muslimische Migranten, auftritt.

Russland fordert immer selbstbewusster seine Rolle als autoritäre Großmacht auch auf dem Balkan ein. Berichte aus Mazedonien und Montenegro, Kosovo und Serbien bestätigen die Aktivität eines weitverzweigten Netzwerks, das mit Geld, Know-how und medialer Hilfe (Sputnik und RT) die willfährigen EU-Gegner fördert. Brexit und Trumps Wahl wurden seinerzeit in Russland kaum verhüllt gefeiert.

Der tschechische Exaußenminister Karel Schwarzenberg sprach in einem Interview (Die Presse, 26. 3.) offen aus, Putin möchte der Hegemon in Europa sein und mit Trump auf Kosten Dritter Europa aufteilen. Das sei die wirklich große Gefahr, vor allem für das Baltikum und für die Ukraine.

Medial schlug das Treffen Putins mit Le Pen zwar kaum Wellen, doch wäre ein Sieg der Rechtspopulistin bei der Präsidentenwahl für die Strategie des Kremls ein Glücksfall und für die EU ein Unheil. Trotz eines zehnmal größeren US-Militärbudgets ist Wladimir Putins politischer Vormarsch nur durch eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Außenpolitik zu stoppen. (Paul Lendvai, 27.3.2017)