Bibiana Beglau (links) im ARD-Film "Über Barbarossaplatz".

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Greta und Benjamin Mahler (Joachim Król).

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Wien – Von der Schweizer Psychotherapeutin Verena Kast stammt ein in den 1980er-Jahren entwickeltes Phasenmodell der Trauer. Nach ihrer Beobachtung durchleben Angehörige von Verstorbenen ähnliche Stationen der Trauer: Leugnen, intensive Gefühle, Erinnerungsarbeit und Akzeptanz.

Der normative Charakter dieses Erklärungsgerüsts gilt heute als umstritten. Gefühle halten sich nicht an eine aufgebaute Matrix, das erlebt Greta (Bibiana Beglau), die im ARD-Film "Über Barbarossaplatz" um ihren Mann trauert, der sich selbst getötet hat. "Schuldig, total schuldig", fühlt sie sich, sagt sie Benjamin (Joachim Król), der – wie sie – Therapeut ist und Supervisor ihres Mannes war. Über die Beziehung der beiden erfährt Greta manch unangenehme Wahrheit, zum Beispiel dass Rainer ein Verhältnis mit einer Klientin hatte. War es Stefanie, die sich aus Selbsthass wahllos Männern hingibt und alle auslacht, die sie nicht wie Abfall behandeln?

Wie man mit dem Gefühl der Schuld weiterleben soll, ist die entscheidende Frage in diesem Film von Jan Bonny nach einem Buch von Hannah Hollinger. Erleichterung ist nicht in Sicht, vor allem nicht in dieser Stadt, auf diesem Platz, um den diese Geschichte kreist. Draußen schieben sich die Blechlawinen über den Kölner Barbarossaplatz. Von Begegnungszonen kann man hier nur träumen.

Teppichland-Schick

Von allen Seiten rauscht, dröhnt, brummt, hämmert, klopft es. Der Dauerlärmpegel überträgt sich nach innen, führt fort in Bars mit Teppichland-Schick, beim Kost'-fast-nix-Chinesen und im Hotelzimmer, das für den Spiegel an der Decke bewundert wird. Egal wo alle Beteiligten in diesem sich langsam ereignenden Unglück hingehen, immer steht das Trennende über dem Gemeinsamen.

Es kann in diesem fordernden Psychogramm nur sperrige Bilder geben. Mit kantigem Schnitt werden die Figuren permanent an den Rand gedrängt. Sich selbst zu analysieren hilft am Ende nicht weiter. Glaube nur ja keiner, Therapeuten hätten keine Probleme. (Doris Priesching, 28.3.2017)