Günter Rauchegger ist seit Jänner 2017 der neue Chef von Elga. Als Techniker sieht er die elektronische Gesundheitsakte als Plattform – eine Serviceleistung für Ärzte und Patienten.

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STANDARD: Wie lange wird es dauern, bis ich mit meinem Arzt per Video chatten und ein Rezept gemailt bekommen kann?

Günter Rauchegger: Wir werden uns heuer schwerpunktmäßig Gedanken über solche zukünftigen Anwendungen machen. 2017 möchten wir die Anforderungen dafür kennen, 2018 eine Detailkonzeption erstellen und dann im Anschluss 2019 an die technische Umsetzung gehen, um kundenorientierte Anwendungen auf der Elga-Infrastruktur aufsetzen zu können. Dann könnte es Ärzte geben, die zum Beispiel Videochat betreiben.

STANDARD: Was kann ich als Patient, etwa in zehn Jahren, sonst noch alles mit Elga machen?

Rauchegger: Elga stellt eine technische Grundinfrastruktur zur Verfügung. Wir haben damit eine solide und sichere Basis geschaffen, die für viele Anwendungen benötigt wird – angefangen von der Authentifizierung bis hin zur technischen Vernetzung. Das ist der Grundstock, auf dem neue Applikationen aufgesetzt werden können: etwa der elektronische Impfpass oder der elektronische Mutter-Kind-Pass. Dabei müssen nicht alle Anwendungen aus dem Fundus der Elga GmbH stammen.

STANDARD: Was ist mit dem E-Rezept?

Rauchegger: Wenn wir vom E-Rezept reden, müssen wir zwischen Abrechnungs- und Gesundheitsdaten differenzieren. Die Verrechnungsdaten, die in Richtung Sozialversicherung gehen, müssen auf einer getrennten Schiene laufen, auch wenn sie am Endpunkt – beim Arzt – wieder zusammenlaufen. Wir sind nur für Gesundheitsdaten zuständig, etwa bei der E-Medikation, die heuer ausgebaut wird.

STANDARD: Man hat das Gefühl, es geht nur sehr langsam voran. Woran liegt das?

Rauchegger: Sorgfältige Planung braucht ihre Zeit. Wir reden hier von mehr als 70 Softwareprodukten am Markt, die integrierte Lösungen anbieten. Die E-Medikation macht nur Sinn, wenn sie flächendeckend implementiert wird. Qualität, Sicherheit und Usability stehen bei Planung und Umsetzung für uns immer im Vordergrund. Konstruktive Kritik der Anwender ist wichtig, denn es soll ja ein System entstehen, das Nutzen schafft und breite Akzeptanz findet.

STANDARD: Viele Patienten fragen sich, wann ihre Hausärzte mit Elga starten.

Rauchegger: Wir reden von knapp 8.000 Vertragsärzten, die jetzt angebunden werden. Wir planen derzeit, was es bedeutet, diesen Roll-out durchzuführen. Da reden wir sowohl von reinen Software-Implementierungen als auch von Schulungen und Einführungen. Technisch machbar wäre ein Beginn im Sommer. Bis Ende 2018 soll ein Großteil des Roll-outs im niedergelassenen Bereich abgeschlossen sein.

STANDARD: Welche Institutionen werden neben den Hausärzten angebunden?

Rauchegger: Neben Allgemeinmedizinern und Apotheken sind es die Fachärzte der Labordiagnostik sowie Radiologen. Idealerweise schaffen wir hier eine zeitliche Übereinstimmung in der Anbindung.

STANDARD: Sehen Sie sich im Spannungsfeld zwischen den Wünschen der Sozialversicherungen auf der einen und der Ärzte auf der anderen Seite?

Rauchegger: Wir sehen ein Miteinander. Die Elga GmbH ist nicht dazwischen, sondern vermittelt und nimmt die Bedenken und Anregungen der Ärzteschaft sehr ernst.

STANDARD: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Kritikpunkte der Ärzte, und wie kann man ihnen entgegenkommen?

Rauchegger: Verständliche Argumente sind Bedenken zu Sicherheit, Performance und Usability. Wir müssen natürlich ein Produkt liefern, das funktioniert. Im Idealfall spürt der Arzt Elga im täglichen Betrieb gar nicht. Er sieht zusätzliche Dokumente wie etwa E-Befunde und kann diese abrufen, aber die technische Abwicklung sollte transparent im Hintergrund durch seine Software erfolgen.

STANDARD: Wie sinnvoll ist es für die Kooperation, wenn Ärztevertreter Pressekonferenzen zum Thema "Elga als Spionagewerkzeug" einberufen?

Rauchegger: Das Interesse nach größtmöglicher Sicherheit ist absolut legitim. Am Ende des Tages ist das aber kein ureigenes Elga-Thema, sondern mehr ein Thema, das durch Elga mehr Sichtbarkeit bekommt. Das Sicherheitsgutachten der Ärztekammer referenziert ja nicht auf Elga per se, sondern auf die Sicherheit an der Peripherie in den Spitälern und Ordinationen. Wir können der Diskussion im Endeffekt etwas Positives abgewinnen. Unsere Systeme haben jedenfalls eine sehr ausgeprägte Sicherheit.

STANDARD: Das klingt fast so, als würden Sie es begrüßen, wenn Datenschützer Elga einen "Big Brother"-Award verleihen.

Rauchegger: Ich glaube, Sicherheit ist immer ein sehr emotionales Thema, weil sich damit Ängste schüren lassen, die man dann nur im Detail adressieren und ausräumen kann. Unser aller Ziel muss ein System sein, das den hohen Anforderungen des Gesundheitswesens gerecht wird. Da tun wir uns nichts Gutes, wenn wir das Thema Sicherheit vernachlässigen.

STANDARD: Ein Kritikpunkt war, dass die ganze Krankenakte einsichtbar ist und nicht einzelne Felder. Warum ist das nötig?

Rauchegger: Diese Kritik ist für uns nicht nachvollziehbar, denn Zugriff auf die Elga seiner Patienten hat nur der behandelnde Arzt, und zwar standardmäßig für 28 Tage. Der Patient selbst kann seine Elga-Gesundheitsdaten ebenfalls einsehen und verwalten, also beispielsweise einzelne Dokumente ausblenden oder löschen. Ob das im Sinn des Behandlungsprozesses einen Gewinn bringt, sei dahingestellt. Die Grundidee von Elga ist, die Behandler übergreifend zu unterstützen. Denn nur eine optimale Informationslage führt zu einer optimalen Diagnostik und Therapie.

STANDARD: Warum können keine alten Befunde aus der Zeit vor dem Elga-Start hinzugefügt werden?

Rauchegger: Das war eine grundlegende Entscheidung, aus mehreren Gründen. So wäre es ein großer Aufwand im Hintergrund und teilweise technisch gar nicht möglich, da die Befundformate nicht stimmen. Elga arbeitet ja mit hochmodernen Befundformaten. (Fabian Schmid, CURE, 12.6.2017)

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