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Der Himmel ist blitzblau über Österreich (im Bild: Kärnten). Transparent ist hierzulande (im Bild: Klagenfurt) aber dennoch nicht allzu viel. Die Beispiele für vermutete oder gar erwiesene Malversationen im (halb-)öffentlichen Bereich (im Bild: die Hypo-Alpe-Adria-Zentrale) sind Legion.

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader

Wir haben alle eine gute Vorstellung von Korruption. Aber das ist individuelle Korruption, kommt in Kuverts daher wie Bestechung, Schmieren, nützliche Abgaben, aggressive Marketingzahlungen, erhöhte Rechnungen mit anschließendem Kickback etc. Wann immer und wo immer sich Menschen darauf einlassen, ob es nun gewerbsmäßig oder nur ein einmaliger Ausrutscher ist, diese Formen der Korruption sind bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft bestens aufgehoben – eine ausreichende personelle Kapazität vorausgesetzt.

Es gibt aber etwas wesentlich Gefährlicheres, strategisch Geplantes und zumeist völlig Legales, das den Glauben an die Demokratie schädigt, Ineffizienz und Ineffektivität in Kauf nimmt und auf Dauer angelegt ist: Institutional Corruption. Dennis Thompson hat den Begriff eingeführt (Ethics in congress: from individual to institutional corruption. Washington, DC: Brookings 505 Inst; 1995; Two concepts of corruption. Edmond J. Safra Center for Ethics, 2013), aus dem mittlerweile ein veritables Forschungsgebiet mit vielen, vielen Anwendungen in allen Bereichen von Wirtschaft, Verwaltung und Politik geworden ist.

Richtung ändern

Beispiele für Österreich fin- den sich in der Aufzählung von Andreas Schnauder (Leben in Filzhausen, der STANDARD, 27. Februar 2017, Seite 22). Alles, was als Institution verstanden werden kann, seien es private, öffentlich-rechtliche oder hoheitliche Gründungen, Projekte, internationale Verträge etc., kann davon betroffen sein. Der Zweck wird von einer Gruppe aktiver Stakeholder definiert, der passende rechtliche Rahmen gewählt und ein dafür geeignetes Management, mit Befugnissen und einer adäquaten Ausstattung versehen, eingesetzt. Zu den Stakeholdern gehören aber auch passiv davon Betroffene wie Management und Mitarbeiter, Konsumenten, Versicherte und – wenn es politisch wird – Wähler. Institutionelle Korruption entsteht, wenn eine Gruppe der Stakeholder sich nur mühsam mit dem Zweck und der Strategie identifizieren konnte, quasi mit hinter dem Rücken gekreuzten Fingern zugestimmt hat und nun danach trachtet, Zweck und Strategie zu verändern. Ganz so als ob man mit einem Magnet eine Kompassnadel zur Abweichung bringt und so Kurs und damit Ziel eines Bootes verändert.

In der Praxis wird das erreicht durch Änderungen von Geschäftsordnungen, Verträgen, Erlässen in letzter Minute usw., die geeignet sind, den ursprünglichen Zweck zu unterlaufen, und von Stakeholdern an Stakeholdern vorbeigeschleust werden, ohne die dadurch bewirkten Auswirkungen ausreichend zu diskutieren. Einige Stakeholder profitieren, andere verlieren, die Beteiligten, die die Rolle des Magnets übernehmen, können ihre Karriereziele nach oben revidieren, Lobbyisten ihren Zugang zu Entscheidungsträgern unter Beweis stellen und dar-an verdienen. Und das alles ganz legal und so-mit ohne nennenswertes Risiko.

Um nicht allzu umständlich zu werden, demonstrieren wir dies am Beispiel des Abkommens zum automatischen Informationsaustausch (AIA) über Vermögenstransfers zwischen EU-Staaten und dem Ausland. Die Vereinbarung soll sicherstellen, dass Steuern auf Erträge von Vermögen auf Konten im Ausland nicht hinterzogen werden können und/oder Vermögensstrukturen offengelegt werden, um prüfen zu können, ob es sich dabei um versteuertes Geld handelt oder nicht. In groben Zügen umschreibt das den Zweck des Abkommens, das am 1. 1. 2017 in Kraft trat. Am 30. 11. 2016 wurde dann bekannt, dass für Stiftungen in Lichtenstein eine bestehende Ausnahmeregelung weiter gelten soll. Das, was ab 1. 1. 2017 möglicherweise als kriminell aufgeflogen wäre, wird weiter unter Verschluss gehalten. Nur Steuern auf die Erträge der Vermögensstrukturen – ob transparent oder intransparent – werden ordentlich abgeführt.

"Sauerei"

Im Mittagsjournal auf Ö1 vom 2. 12. 2016 wurde dann dazu Stellung genommen: Ein Steuerberater sprach von der Möglichkeit, eine "finanzielle Privatsphäre beizubehalten" und trotzdem gerecht Steuern auf die Erträge abführen zu können, ein anderer Steuerberater sprach von einer "Sauerei" weil dadurch nicht überprüft werden kann, ob es sich um versteuertes oder unversteuertes Vermögen handelt; ganz ähnlich ein Politiker, der ebenfalls betonte, dass es sich hier möglicherweise um kriminell abgezweigtes Kapital handelt, das hier geschützt werden soll.

Was sonst kann hinter einer "finanziellen Privatsphäre" stecken? Verschleierung von Vermögen, um Unterhaltszahlungen oder um Erbschaftsansprüche zu verkürzen? Oder Wettbewerber über den Geschäftsgang rätseln zu lassen? Es fällt einem kaum eine schutzwürdige Privatsphäre ein, und wenn es eine geben sollte, warum nicht von einem Senat aus Richtern und Staatsanwälten der Korruptionsstaatsanwaltschaft beur-teilen lassen? Österreich, so erfuhr man auch im Interview, ist übrigens das einzige Land mit einer derartigen Sonderregelung, wie gut ist das für unsere Reputation? Einige wenige profitieren davon enorm und ohne Risiko – es ist ja alles legal. Der Zweck des Abkommens ist unterlaufen, somit korrumpiert, und das vor aller Augen.

Die Steuerzahler und die Wähler sind verärgert, die Demokratie ist beschädigt. Ob sich das ausgezahlt hat? Achselzucken. Die da oben haben sich's wieder einmal gerichtet. So ist das Leben in Filzhausen. (Adolf Stepan, 28.3.2017)