Das Grazer Zentrum für Biomarkerforschung in der Medizin widmet sich der Identifikation und Validierung von personalisierten Biomarkern für Krebs und andere Krankheiten.

Foto: Bernhard Bergmann

Graz – Im Februar 2013 ließ sich die amerikanische Schauspielerin Angelina Jolie beide Brüste entfernen, weil Gentests auf ein stark erhöhtes Brustkrebsrisiko hinwiesen – eine Entscheidung, die sie ohne Zurückhaltung in den Medien ausbreitete. Vielleicht hat ihr die vorsorgliche Amputation das Leben gerettet. Möglich ist aber auch, dass sich gar nie ein Brustkrebs entwickelt hätte. "Gebe es für diese Erkrankung bereits einen Biomarker auf metabolischer Ebene, hätte Angelina Jolie ihre Brüste länger behalten können", ist Natalie Bordag überzeugt.

Die promovierte Biophysikerin ist Projektleiterin für Metabolomik am Grazer Zentrum für Biomarkerforschung in der Medizin (CBmed) – ein Fachgebiet, das sich mit der Messung kleiner Mole-küle in einer biologischen Probe befasst. Bordag: "Das Wissen um diese Stoffwechselprodukte und die im untersuchten Blut, Speichel, Urin, Gewebe, Plasma oder sonstigem frischen biologischen Material erkennbare Muster erlaubt tiefe Einblicke in den Zustand eines Organismus."

Das Metabolom – also die Gesamtheit dieser Moleküle von Lipiden und Fetten bis zu Hormonen oder Zucker – zeigt an, ob der Organismus gesund oder krank ist, ob sich eine bestimmte Krankheit anbahnt oder auf welches Medikament er anspricht. In der Biomarkerforschung wird die Metabolomik für die gezielte und die ungerichtete Suche nach neuen Biomarkern sowie für deren Validierung in verschiedenen Probensätzen verwendet.

Im Gegensatz zu Gentests, die auf ein gewisses Risiko verweisen können, spiegle sich im Metabolom der aktuelle biologische Zustand eines Organismus, so Bordag. In Fällen wie jenem der US-Schauspielerin müsste man nicht auf Verdacht hin amputieren, sondern würde regelmäßige Metabolom-Messungen durchführen und erst bei konkreten Hinweisen auf den Eintritt der Erkrankung entsprechende Schritte setzen.

Veränderte Muster

Im Metabolom lassen sich Krankheitsentwicklungen bereits erkennen, wenn aufgrund von Kompensationsmechanismen im Körper sonst noch keine sichtbaren Symptome vorhanden sind. So kann man beispielsweise lange vor Ausbruch von Diabetes veränderte Muster im Metabolom sehen und damit die Erkrankung hinauszögern oder überhaupt verhindern. "Man kann sich das Metabolom wie eine Stadtkarte mit Haupt- und Nebenstraßen, Sackgassen und Einbahnstraßen vorstellen", sagt Bordag.

"Gibt es Unfälle oder neue Baustellen, kommt es zum Stau." Durch das Studieren des Metaboloms könnten frühzeitig Problemstellen erkannt und neue Therapiemöglichkeiten entwickelt werden. Parallel zur Identifizierung von Biomarkern geht es den Forschern am CBmed um die Etablierung neuer Messmethoden, um immer bessere und genauere Informationen aus immer kleineren Proben zu gewinnen.

Das von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderte Comet-Zentrum wurde 2015 in Graz etabliert und widmet sich der Identifikation und Validierung von personalisierten Biomarkern. Mittlerweile wurden bereits drei Patente angemeldet, die Verbesserungen für die Diagnose und Prognose von Krebs und Lungenhochdruck bringen sollen.

Lungenhochdruck diagnostizieren

Zurzeit arbeitet Natalie Bordag gemeinsam mit ihrem Team – Andrea Olschewski vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Lungengefäßforschung, Horst Olschewski von der Med-Uni Graz und Christoph Magnes von Joanneum Research – an der Entwicklung einer Biomarkermessung zur Diagnose von Lungenhochdruck. Diese schwere und seltene Lungenerkrankung geht mit unspezifischen Symptomen wie Luftnot bei Belastung einher, weshalb sie meist lange nicht erkannt wird. Unbehandelt sterben Patienten im Schnitt in weniger als drei Jahren.

Nun ist es den Forschern gelungen, eine Gruppe von chemisch sehr ähnlichen Molekülen als Marker zu identifizieren. "Damit wäre es erstmals möglich, an Lungenhochdruck Erkrankte mit einem Labortest von Gesunden zu unterscheiden", sagt Bordag.

Eine europäische Patentanmeldung wurde bereits vor einem Jahr eingereicht, die Forschung zur frühzeitigen Diagnose dieser Krankheit, die Menschen jeden Alters und auch Kinder treffen kann, geht aber weiter. Am Ende der Arbeit soll ein leicht anwendbarer, gezielter und minimalinvasiver Biomarker zur Verfügung stehen. Da ein Verdacht auf Lungenhochdruck zurzeit nur mit dem sehr invasiven und nicht ungefährlichen Einsatz eines Herzkatheters überprüft werden kann, knüpfen sich große Hoffnungen an die neue Diagnosemethode. (Doris Griesser, 3.4.2017)