Mehr Chancengleichheit und mehr frühkindliche Förderung für Kinder.

In der derzeitigen Diskussion um eine Indexierung der Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten in anderen Ländern wird ein möglicher Ausweg derzeit nicht ins Auge gefasst: der Umstieg von einer Geld- auf eine Sachleistung. Diese Option wäre nicht nur europarechtlich einwandfrei, sondern könnte auch für Österreich positive Effekte bringen. Sie entspricht Vorschlägen, die schon seit langem von österreichischen und internationalen Experten (OECD, Europäische Kommission) gemacht werden.

Die familienpolitischen Leistungen sind in Österreich zwar höher als im EU-Durchschnitt, allerdings ist in Österreich ein klarer Fokus auf Geldleistungen erkennbar. Dagegen zeigen die internationalen und nationalen Erfahrungen eindeutig, dass Geldleistungen weder die Geburtenraten erhöhen noch Frauen besser in den Arbeitsmarkt integrieren. Beides ist dringend nötig, um die demografische Situation zu verbessern und für nachhaltige öffentliche Finanzen zu sorgen. Ungebundene, einkommensunabhängige Geldleistungen sollen den Beziehenden ein hohes Maß an "Wahlfreiheit" ermöglichen – ein Versprechen, das vor allem in ländlichen Regionen aufgrund der mangelnden Kinderbetreuungsplätze jedoch de facto nicht existiert.

Traditionelle Formen

Gleichzeitig tendieren Geldleistungen dazu, traditionelle Formen der Arbeits- und Rollenverteilung zu verstärken, da sie negativ auf die Arbeitsbereitschaft von Frauen wirken. Demgegenüber wirken politische Maßnahmen, die auf eine erhöhte Verfügbarkeit, Qualität und finanzielle Erschwinglichkeit externer Kinderbetreuung abzielen, eindeutig positiv auf die Erwerbstätigkeit von Frauen (mit Kindern).

Konkrete Möglichkeiten wären zum Beispiel kurzfristig bundesweit Gratiskindergärten und Gratisnachmittagsbetreuungseinrichtungen mit hohen Qualitätsstandards, mittelfristig würde im Schulbereich der ohnehin von der Regierung forcierte Ausbau der Ganztagesschulen zum Tragen kommen. Ebenso könnten damit bessere Betreuungsverhältnisse und mehr pädagogische Unterstützung von sozial benachteiligten Kindern ermöglicht werden.

Auf Österreich fokussieren

Am Anfang jedes Schuljahres könnte ein Schulkostenzuschuss ausbezahlt werden. Damit könnte die Geldleistung der Familienbeihilfe reduziert werden und die Wirkung der Familienbeihilfe auf in Österreich wohnende Kinder fokussiert werden.

Dabei würde erstens die regressive Verteilungswirkung der derzeitigen Familienbeihilfe zumindest stark reduziert werden, da die Familienbeihilfe unabhängig vom Haushaltseinkommen ausgezahlt wird und Haushalte mit höheren Einkommen wesentlich mehr von der steuerlichen Absetzbarkeit von Betreuungskosten profitieren als Haushalte mit niedrigen Einkommen.

Zweitens würde Österreich einen großen Schritt in Richtung Chancengleichheit setzen, wenn Kinder aus benachteiligten oder bildungsfernen Familien verstärkt Zeit mit ausgebildeten PädagogInnen verbringen.

Positive Effekte

Drittens wären die volks- wirtschaftlichen Effekte positiv: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass (1) Unterstützungsleistungen, welche die Bildungschancen von Kindern erhöhen, später zu geringeren Sozialausgaben führen (zum Beispiel für die Arbeitslosenunterstützung oder die Sozialhilfe), (2) Unterstützungsleistungen, die auf eine frühe Förderung für Kinder aus benachteiligten Familien abzielen (etwa in Form von hochqualitativen Kindergärten), höhere gesellschaftliche "Renditen" mit sich bringen als eine Bildungsförderung zu einem späteren Zeitpunkt.

Lernfähigkeit wird vorwiegend im frühkindlichen Alter geprägt, weshalb bildungspolitische Maßnahmen im frühkindlichen Alter am effektivsten sind. Frühe Unterstützung ermöglicht später mehr Leistung. Die schlechteren Bildungs- und (späteren) Arbeitsmarktchancen von Kindern aus benachteiligten Familien sind ein sozialpolitisches Versäumnis sowie eine Vergeudung von Ressourcen und führen in der Regel dazu, dass später höhere Sozialausgaben notwendig sind.

Eine Reform der Familienbeihilfe in Richtung erhöhte Sachleistungen könnte deshalb ein ökonomisch effizienter, sozial gerechter und europarechtlich unbedenklicher Ausweg aus der derzeitigen Situation sein. (Ulrike Famira-Mühlberger Jürgen Janger, 29.3.2017)