"Geistiger Widerstand von außen. Österreicher in US-Propagandainstitutionen im Zweiten Weltkrieg", Florian Traussnig, Böhlau Verlag, 403 Seiten, 40 Euro.

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Wien – 300 bis 400 Exilösterreicher und Deserteure kämpften im Zweiten Weltkrieg in US-Propagandainstitutionen mit Worten, Klängen und Bildern gegen das NS-Regime. Aktionen wie die "Operation Sauerkraut" hatten dabei aber mehr moralische als militärische Bedeutung. In seinem Buch "Geistiger Widerstand von außen" dokumentiert der Historiker Florian Traussnig diesen teils abenteuerlichen Schattenkrieg.

Im Kampf gegen die Nationalsozialisten setzten die USA auch auf die Unterstützung durch Journalisten, Diplomaten, Autoren, Juristen, Schauspieler und Sänger, die mit der Sprache, Denkweise und Kultur Deutschlands bzw. Österreichs vertraut waren. Sie schufen Propaganda mit speziellen Inhalten für ein österreichisches Publikum, ihr Wirken kann laut Traussnig "durchaus zu den Formen des 'leisen' Widerstands gerechnet werden". Als Beispiele nennt der Forscher etwa die als "verführerische Radiostimme" eingesetzte Sängerin Vilma Kuerer oder den Kriegsgefangeneninterviewer und Multiagenten Oliver Rockhill-Schneditz.

Deftige Desinformation

Eine der spektakulärsten Episoden in der Geschichte der psychologischen Kriegsführung sei die von Sommer 1944 bis zum Kriegsende durchgeführte "Operation Sauerkraut", die über das Amt für Strategische Dienste (Office of Strategic Services, OSS) des US-Kriegsgeheimdienstes abgewickelt wurde. Dort wurden nach dem Konzept der "schwarzen Propaganda" gezielt Desinformationstexte kreiert, die als Produkte der Nationalsozialisten ausgegeben wurden.

Damit versuchten die österreichischen Propagandakämpfer, "ihren Gegner zu demoralisieren, zu brechen und kampfunfähig zu machen", so Traussnig. Zimperlich war man dabei nicht: Beispiele waren etwa explizit pornografische Bildgeschichten, in denen Nazis als behaarte Affen bei Übergriffen auf "unschuldige Ehefrauen" dargestellt wurden, oder eigens gedichtete Wiener Schlagerlieder mit antinationalistischem Gedankengut.

Anders als die offen amerikanische und idealistische "weiße Propaganda" wurde das OSS-Propagandamaterial nicht einfach per Flugzeug abgeworfen, sondern durch "geheimdienstliche Penetrationstrupps" aus übergelaufenen Ex-Kriegsgefangenen, die als gewöhnliche Wehrmachtssoldaten getarnt waren, direkt ausgegeben. Auch Spionage gehörte zu den Aufgaben dieser Propagandisten.

Symbolischer Wert

An der Verbreitung von "weißer Propaganda" durch das Office of War Information (OWI) waren ebenfalls Exilösterreicher beteiligt, so etwa der in die USA geflohene Sozialdemokrat Julius Deutsch oder der dem Holocaust entronnene Henry Koerner, der ästhetisch anspruchsvolle Propagandaplakate schuf.

Die Auswirkungen der spektakulären Subversionsunternehmen will Traussnig nicht gering schätzen. Auch wenn diese auf den Kriegsverlauf "keinen nennenswerten Einfluss" hatten, seien sie "in symbolischer, politischer und moralischer Hinsicht von hohem Wert" gewesen, nämlich dank einer über Monate und Jahre andauernden "erst auf den zweiten Blick erkennbaren und schleichenden Unterminierung feindlicher Moral und der Desorientierung des nationalsozialistischen Gegners".

Die USA mit ihrem schnell wachsenden Militär-, Geheimdienst- und Propagandaapparat hätten es den zerstrittenen österreichischen Exilgruppen zudem ermöglicht, als eine Art "Arbeitsgemeinschaft gegen Hitler" ein Bild des anderen Österreichs zu zeichnen und geistigen Widerstand gegen den NS-Staat zu leisten. (APA, 2.4.2017)