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Durch gentechnisch veränderte Baumwolle kann auf Insektizide verzichtet werden, was eine umweltschonende Produktion fördert.

Foto: ap/winfried rothermel

Vor zwanzig Jahren, vom 7. bis zum 14. April 1997, konnten Wahlberechtigte in Österreich das Volksbegehren gegen Gentechnik unterzeichnen. Mit gut 1,2 Millionen Unterschriften ist es das zweiterfolgreichste in der österreichischen Geschichte. Zwanzig Jahre später ist es Zeit, ein Resümee zu ziehen, ob die Ziele des Begehrens überhaupt noch sinnvoll und zeitgemäß sind.

Zur Erinnerung: Das Volksbegehren forderte kein Essen aus dem Genlabor in Österreich, keine Freisetzung genmanipulierter Lebewesen in Österreich und kein Patent auf Leben. Dass die Begründungen dazu aus wissenschaftlicher Sicht schon damals unhaltbar waren, sei hier nur nebenbei erwähnt: Hunderte wissenschaftliche Organisationen, gestützt auf tausende wissenschaftliche Publikationen, stufen gentechnisch veränderte Lebensmittel als sicher ein. Diese Debatte ist gegessen.

Gentechnisch veränderte Baumwolle in Umlauf

Hierzulande werden tatsächlich keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut. Doch ist Österreich deshalb gentechnikfrei? Nein, und das ist gut so! Wir nutzen gentechnisch veränderte Produkte im täglichen Leben, dazu gehören nicht nur jene der "weißen" Gentechnik wie etwa Enzyme für die Lebensmittelproduktion oder in Waschpulvern und Produkte der "roten" Gentechnik wie beispielsweise Insulin und Impfstoffe, die auch Gegnern der Gentechnik ein angenehmes Leben bereiten, sondern auch die der "grünen" Gentechnik. Ein Verzicht darauf hätte tiefgreifende Konsequenzen, die kaum jemand in Kauf nehmen möchte.

Praktisch jeder Gegner von Gentechnik nimmt tagtäglich Erzeugnisse der grünen Gentechnik in die Hand. Etwa drei Viertel der weltweiten Baumwollproduktion gehen heute auf gentechnische veränderte Baumwolle, die sogenannte Bt-Baumwolle, zurück, die aufgrund ihrer Schädlingsresistenz nicht nur die Verwendung von Insektiziden drastisch reduzierte und somit eine umweltschonendere Produktion brachte, sondern auch Millionen Kleinbauern ein sicheres Einkommen ermöglicht. Bt-Baumwolle nutzen wir nicht nur in unserer Kleidung, sondern auch in Form von Geldscheinen.

Österreich importiert gentechnisch verändertes Soja

Auch wenn es nicht gern gehört wird, aber Österreich importiert jährlich 400.000 Tonnen von gentechnisch verändertem Soja aus Südamerika, hauptsächlich als Tierfutter – EU-weit sind es 35 Millionen Tonnen. Die landwirtschaftliche Produktion der EU und somit die Eigenversorgung ließen sich anders gar nicht aufrechterhalten. Fast hundert Prozent der Mastschweine werden damit gefüttert, bei Rind und Pute sind es nicht viel weniger – Grundlage dafür, dass wir uns alle Schnitzel und Tafelspitz leisten können. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland 70 Prozent der Lebensmittel, vom Käse bis zur Wurst, irgendwie mit Gentechnik in Berührung kommen. Die Zahlen für Österreich dürften nicht viel anders sein. Dieses Land zur gentechnikfreien Zone erklären zu wollen ist deshalb nicht nur scheinheilig, sondern geradezu absurd.

Neue Verfahren bekämpfen Armut

Nicht nur in Europa gehört Gentechnik längst zum Alltag, auch in anderen Erdteilen wird sie zum Segen der Menschheit genutzt. In Bangladesch werden etwa gentechnisch veränderte Melanzani mittlerweile von zehntausenden Bauern angebaut, bald kommen Kartoffeln hinzu. In Tansania wird trockenresistenter Mais auf Versuchsfeldern gezogen und könnte bald zur Anwendung kommen. Das sind nur ein paar Beispiele dafür, wie mit dieser Technologie aktive Armutsbekämpfung möglich ist.

In den kommenden Jahren stehen massive Umwälzungen in der modernen Pflanzenzüchtung an. Dafür sorgen Genome-Editing-Verfahren wie etwa Crispr/Cas, mit denen das Erbgut von Organismen punktgenau optimiert werden kann. In den USA wurden damit beispielsweise nichtbräunende Champignons gezüchtet, die nicht als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssen. In der EU hingegen leben diese Technologien noch in einem rechtlichen Limbus, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs beziehungsweise der Kommission stehen an.

Front der Ablehnung bröckelt

Doch auch ohne genaue rechtliche Einordnung der neuen Verfahren bewirken diese bereits ein Bröckeln der ideologisch motivierten Ablehner von Gentechnik. Urs Niggli, Direktor des Schweizerischen Forschungsinstituts für biologischen Landbau, trat in einem Interview im "Greenpeace-Magazin" gegen eine generelle Verteufelung dieser "neuen Gentechnik" und für eine differenzierte Betrachtung ein. Sie bringe nämlich offensichtliche ökologische Verbesserungen, die auch von Gegnern nicht von der Hand zu weisen sind. Von Vorteilen für Bauern und Verbraucher ganz zu schweigen.

Die Forderungen des Volksbegehrens von 1997 sind nicht mehr zeitgemäß. Eine Neubewertung moderner Pflanzenzüchtungsmethoden ist mehr als angebracht, nicht nur rechtlich, sondern auch politisch. Bevor Populisten auf Stimmenfang eine neue Sau durchs Dorf treiben, sollten weitsichtige Politiker der Mitte der Wissenschaft Gehör schenken. Damit sich in dieser Thematik bald Wissenschaftlichkeit und Rationalität durchsetzen – zum Wohle dieses Landes, zum Wohle der Menschheit, und nicht zuletzt zum Wohle der Umwelt. (Stefan Uttenthaler, 7.4.2017)