Fotos: Lisi Specht
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Komponist Rupert Huber wohnt im vierten Bezirk in Wien. Zum schönen Wohnen hat er keinen Bezug, wichtiger ist ihm der Sound des Lebens, den die Wohnung von sich gibt. Und dass er nicht immer nur sitzen muss.

"Mir ist aufgefallen, dass bei den meisten Wohngesprächen die Menschen sitzen. Und ich mag Sitzen überhaupt nicht – zumindest nicht zu Hause. Ich sitze so viel in meinem Leben, beim Texten, Musizieren, Straßenbahnfahren, dass ich die eigenen vier Wände dazu nutze, meinen Sitzüberdruss zu kompensieren und das Wohnen vor allem im Stehen und Liegen zu gestalten. Der einzige Ort, an dem ich zu Hause gerne sitze, ist die Badewanne. Aber da kriegt das Sitzen ja auch etwas Schwereloses.

"Ich sitze so viel in meinem Leben, dass ich zu Hause vor allem im Stehen und Liegen wohnen möchte." Rupert Huber in seiner Lieblingsposition im Wohnzimmer.
Fotos: Lisi Specht

Hier also liege ich am Boden. Seit Jahren schon praktiziere ich täglich eine Übungskette, bei der man versucht, die Muskeln von den Knochen zu lösen. Das hält mich fit. Einen passenden Raum gibt es nicht wirklich. Wir halten es mit unserem Wohnen eher japanisch: Überall ist alles möglich, und dann wird bei Bedarf schon einmal der Esstisch weggeschoben und ein Teppich ausgerollt, auf dem ich mich entspannen kann. Nach einer Viertelstunde baue ich wieder alles zurück.

Die Wohnung hat 120 Quadratmeter und ist sehr schmal und sehr tief geschnitten. An der längsten Stelle misst die Zimmer- und Vorzimmerflucht so an die 30 Meter. Das ist ein ziemlich dramatischer Blick. Die Wohnung liegt in einer ruhigen Lage im vierten Bezirk. Wir wohnen im Erdgeschoß, aber der Ausblick ist sehr schön. Hinzu kommt, dass die Wohnung über vier Meter hoch ist. Ich wohne hier gemeinsam mit meiner Frau Renée Gadsden, einer New Yorker Kunsthistorikerin und Kuratorin, zwei Kindern, zwei Meerschweinchen und einem Hund.

Fotos: Lisi Specht

Ich habe keinen Bezug zum Design, zum Schöner-Wohnen, zu ästhetischen Möbeln, wie man sie aus diversen Zeitschriften kennt. Erstens kann ich das nicht, und zweitens ist diese Art von Ordnung für mich keine Zu-Hause-Notwendigkeit. Als Komponist gebe ich in der Musik jede einzelne Note, jedes noch so kleine Detail vor, da bin ich Herr der Ordnung. Außerdem muss im Tonstudio alles perfekt aufgeräumt sein, sonst bricht Chaos aus. Zu Hause jedoch will ich nichts mehr vorgeben. Da will ich nur noch geschehen lassen. Da regiert das Chaos.

Meine Frau und ich geben kaum Geld für Möbel oder irgendwelche traditionellen Vergegenständlichungen des Wohnens aus – also für, was weiß ich, Schalen, Vasen, Dekoartikel. Damit können wir nichts anfangen. Viel wichtiger sind Seile, Schnüre und Gafferbänder, damit man etwas Kaputtes notfalls wieder zusammenhalten kann. Doch das wichtigste Funktionieren überhaupt ist für mich die Heizung. Ich habe früher einmal in Berlin in einem DDR-Altbau ohne Heizung gelebt – nur mit einem stinkenden VEB-Ölofen. Das war echt bitter. Im Bücherregal gab es eine Mao-Bibel. Ich habe darin das Wort Kommunismus spaßhalber durch Zentralheizung ersetzt. Der Text hat immer noch Sinn ergeben. Das fasziniert mich bis heute.

Fotos: Lisi Specht

Das Highlight dieser Wohnung ist für mich die Akustik, die sie von sich gibt. Am Schauen schaut man sich mit der Zeit tot. Ich sehe die Wohnung nicht mehr wirklich. Aber die Geräuschkulisse, die ändert sich mit jedem Tag. Dieses Haus scheint wirklich mit mir zu sprechen! Der Holzboden knarrt, die Fenster quietschen im Wind, der Hund bellt, die Mehrschweindln schmatzen, die Nachbarbabys schreien, die Menschen quatschen laut im Stiegenhaus, das Haustor fällt satt ins Schloss. Die Summe all dieser Fragmente ist für mich der Sound des Lebens.

Im Augenblick sind wir hier glücklich. In Zukunft würden wir unseren Lieblingsort Badewanne gerne etwas vergrößern und am Wasser wohnen. Ich mag das Plätschern und Rauschen. Und ich mag, dass man im Wasser nicht sitzen muss." (3.4.2017)