Wie der Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation Nervenzellen verändert, wollen Wissenschafter der Uni Hohenheim untersuchen.

Foto: Nasa

Hohenheim – Das Leben auf der Erde hat sich unter dem Einfluss der Schwerkraft entwickelt, sie ist ein wesentlicher Faktor für alle Stoffwechselvorgänge. Wenn sie wegfällt, ändert sich vieles – auch die elektrischen Eigenschaften von Nervenzellen. Deutsche Wissenschafter wollen diese Vorgänge nun genauer untersuchen und dafür Nervenzellen ins Weltall bringen.

"In Experimenten mit künstlichen Zellen sahen wir, dass sich Schwerelosigkeit auf die Zellmembran auswirkt, die eine Zelle umschließt", sagt der Biophysiker Florian Kohn von der Universität Hohenheim. "Denn diese Schicht verändert ihre Viskosität, wird also gewissermaßen leicht verflüssigt." Eine der Folgen sei, dass dadurch zum Beispiel Substanzen wie Medikamente leichter oder auch schwerer in die Zelle eingeschleust werden können.

Robuste Tumorzellen

"Eine andere Frage ist, ob sich Nervenzellen in Schwerelosigkeit anders entwickeln", sagt Claudia Koch (ebenfalls Uni Hohenheim). "Von Knochen etwa ist bekannt, dass sie sich in Schwerelosigkeit mit der Zeit abbauen – doch was geschieht mit Nervenzellen?" Um das herauszufinden, werden die Forscher voraussichtlich im November 2017 Experimente auf der Internationalen Raumstation (ISS) starten. Dann sollen sechs winzige, vollautomatisch agierende Hightech-Boxen mit menschlichen Tumorzellen auf die ISS gebracht werden.

Tumorzellen seien robuster und einheitlicher als echte Nervenzellen und daher gut als Modell geeignet, so Kohn. "Die Zellen wachsen in den geschlossenen Mini-Brutschränken auf Kulturmedium heran. Die Nährstoffe werden ihnen automatisch zugeführt." Nach sieben Tagen gibt das System dann Retinsäure dazu, eine Substanz, die von Vitamin A abgeleitet ist. Kohn: "Das sorgt dafür, dass sich die Zellen zu Nervenzellen entwickeln. Nach weiteren sieben Tagen werden diese chemisch fixiert, zurück auf die Erde gebracht und im Labor untersucht."

Die Forscher hoffen, mit diesem Experiment neue Erkenntnisse über die biophysikalischen Eigenschaften von Zellen zu erlangen. So wolle man etwa besser verstehen, wie Medikamente in eine Zelle gelangen und wie dies beeinflusst werden könnte. Das käme nicht nur im All erkrankten Astronauten zugute, bei denen die Dosierung der Medikamente angepasst werden müsste, so Kohn: "Auch auf der Erde kann das dazu beitragen, Medikamente zu optimieren." (red, 10.4.2017)