Christian Mühlbacher spielte auch mit Chet Baker: "Ob er spielte oder sang – in jedem Ton konnte ich ein ganzes Universum hören."

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Wien – Schamottziegel, erklärt Christian Mühlbacher, "erzeugen beim Eintauchen ins Wasser ungeheuer sphärische Geräusche. Ich möchte behaupten, es ist Musik." Das zu wissen, schadet nie. Von diesem Klang ausgehend, fasste Mühlbacher ja den Plan, Mühlbachers Usw ins Leben zu rufen. Selbstredend sollte die Big Band aber live noch mehr können, als diesen Sound zu evozieren. Zusammen mit den "Zwölftonlines" des Trompeters Franz Hautzinger und "mit Klarinettisten plus freier Improvisation" sollte es "mit monströsem Donnerblechswing und Themen mit Jazzanmut über Rockeinflüsse und Funkansätze" Richtung Konzerthöhepunkt gehen.

Ebendort und "gestützt durch zwei Percussionisten" würde sodann "die Post richtig abgehen", sollte mittels "Rhythmen und enormer Energie der Club zum Brodeln" gebracht werden. Dieser kathartische Akt passierte erstmals am 5. April vor 20 Jahren; und er soll am Mittwoch beim Jubiläumskonzert im Porgy & Bess wieder geschehen.

Als vielseitig zu bezeichnen

Im Rückblick betrachtet war es so: Seine eigenen Stücke endlich live zu hören war nicht der Projektgrund, so der Wiener: "Schon über ein Jahrzehnt davor konnte ich verschiedentlich, vor allem aber durch die Big Band Nouvelle Cuisine meine Stücke erleben und performen! Der große Unterschied war, dass ich hier erstmals fürs Ganze verantwortlich war." Mühlbacher, Jahrgang 1960, wäre jedoch auch ohne den Bandleaderjob als vielseitig zu bezeichnen; er ist Komponist, Arrangeur, Schlagzeuger und Pädagoge: "Vor allem für junge Instrumentalisten geht es darum, sich die Fertigkeiten am Instrument einzuverleiben und in der Praxis umzusetzen. Dies bedeutet: täglich stundenlang üben, Proben und Gigs spielen. Für den Arrangeur geht es darum, punktgenau für eine Besetzung und einen Anlass zu schreiben."

Der schöne Prozess

Dabei helfe Routine. Wobei "mitunter die Notwendigkeit entsteht, nach einem nächtlichen Anruf aus der Auftraggeberetage noch rasch bis zum Morgen alles zu ändern ...". Als Komponist wiederum genießt Mühlbacher "den Entwicklungsprozess einer Idee. Solange Muße vorhanden ist, sich in das entstehende Werk einzuleben und gar von der Muse geküsst zu werden, ist alles gut. Die Detailumsetzung und Materialerstellung – wer kann sich schon Kopisten leisten! -, gepaart mit dem Zeitdruck bis zur ersten Probe, nimmt unweigerlich etwas vom Stress an, den der Arrangeur spürt." Bezüglich des Komponierens wähnt sich Mühlbacher im Glück: "Meist ereilt mich unmittelbar nach der Eröffnung einer Realisationsmöglichkeit ein Grundgedanke, den es zu vertiefen gilt. Das können musikalische Parameter sein, aber auch innere Bilder oder Gemütszustände."

Aus einer Keimzelle heraus entwickle er weiter. "Hernach gebe ich alles in den Computer ein. Das digitale Noteneingabezeitalter ist ein Segen für mich und für jene Leute, die sonst meine Schrift lesen müssten. Dabei ändere ich noch Vieles, versuche zu verfeinern. Manchmal – und das kann mitunter bitter sein – muss eben auch etwas verworfen werden."

Freiraum für Kreativgedränge

Zu guter Letzt erstelle Mühlbacher dann "unter doch lautem Fluchen, da es hoch lästig sein kann, nach der eigentlichen Fertigstellung der Komposition noch tagelang editieren zu müssen, das unverzichtbare Notenmaterial", das in dem hier vorliegenden Big-Band-Fall auch mit improvisatorischen Freiräumen für das Kreativgedränge der Solisten versehen ist. "Ganz wichtig ist, dass alle entscheidenden Akteure sowohl den Plan wie auch die Fähigkeit besitzen, dem Ganzen zu folgen! Einst habe ich entweder mit beseelten Improvisatoren oder mit begnadeten Notenlesern zu tun gehabt. Mit dem Projekt ist es endlich gelungen, die Menschen zu vereinen, die beides drauf haben!"

Studiert hat Christian Mühlbacher bei Komponist Kurt Schwertsik. "Eine Kernaussage, die für mich entscheidend war: Ich solle zwar lernen, nicht aber versuchen, es irgendwem, auch keinem Professor, recht zu machen. Ich soll komponieren, was meines ist! Vielen Dank für den Rat!" Danken will Mühlbacher womöglich auch für die Eindrücke, die er Arrangeurlegende Gil Evans ("Diese musikalische Intensität!") zu verdanken hat. Und zweifellos war auch der Gig mit Trompeter Chet Baker ein Erlebnis. "Ob er gespielt oder gesungen hat: In jedem Ton konnte ich ein ganzes Universum hören. Ein Wahnsinn!" (Ljubisa Tosic, 3.4.2017)