Nicht so einfach zu finden, diese Adresse. Sogar der ortskundige Taxifahrer wirft die Nerven weg. Da hinten müsse es sein, er deutet in einen Hinterhof. Der Mann soll recht behalten. In ein verstecktes Eck drückt sich ein kleines Häuschen, das den gesuchten Concept-Store OOAK beherbergt.

Drinnen tut sich auf drei Geschoßen ein buntes Schatzkästchen auf, das genauso gut ein elegantes Boutiquehotel sein könnte. Der Verkäufer mit dem verstrubbelten Haar mag nur wenige Worte Englisch sprechen, doch die Auswahl an Mode und Schmuck um ihn herum ist so ausgesucht wie international. Mode von Christopher Kane reiht sich ein neben den ausgefallenen Schmuck junger chinesischer Designer – dieser Shop könnte sich genauso gut in London, New York oder Paris befinden.

Neues Modeverständnis

Schanghai ist neben Peking eines der großen Modezentren Chinas, die 15-Millionen-Metropole ist längst mehr als die Nanjing Road, die von Touristen bevölkerte Einkaufsstraße, oder die Huaihai Road, wo sich die Shoppingpaläste von Louis Vuitton und Hermès aneinanderreihen. Das Modeverständnis in China hat sich in den letzten Jahren verändert, neben Prada, Gucci, Armani, den großen westlichen Luxusfirmen, sind chinesische Designerlabels wie Chictopia oder die längst etablierte Uma Wang nicht nur in Shops wie OOAK oder Dongliang zu haben, sondern auch ins Bewusstsein der chinesischen Konsumenten gerückt.

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Staatspräsident Xi Jinping und die chinesische First lady Peng Liyuan, die auf chinesische Labels setzt.
Foto: ap/sekretarev

Das ist ein Stück weit der First Lady Peng Liyuan zu verdanken. Die Ehefrau von Staatspräsident Xi Jinping legte vor vier Jahren anlässlich des ersten öffentlichen Erscheinens ihres Mannes im neuen Amt einen viel besprochenen Auftritt hin. Sie stellte einen dunkelblauen Mantel mit einem hellblauen Schal und einer schwarzen Ledertasche zu einem auf den ersten Blick zurückhaltenden Outfit zusammen. Für Gesprächsstoff sorgte es dennoch. Denn Peng Liyuan trug nicht Chanel und nicht Versace, sondern ein heimisches Designerlabel. Was Michelle Obama in den USA mit einer Selbstverständlichkeit zelebrierte, war in China 2013 etwas völlig Neues.

Stolz auf chinesische Mode

Der Auftritt der First Lady machte das Modelabel Exception de Mixmind, das bereits Mitte der 1990er-Jahre von der Designerin Ma Ke in Guangzhou gegründet worden war, im eigenen Land bekannt. Der Auftritt tat etwas für Chinas Modeszene. "Die Leute waren stolz, weil Peng Liyuan einen authentischen Auftritt in chinesischer Mode hinlegte", erklärt der amerikanische Modejournalist Timothy Parent, der seit acht Jahren in Schanghai lebt. Er meint: "Den chinesischen Labels hat dieser Auftritt einen enormen Schub verpasst."

Lange galten die Modedesigner im eigenen Land nicht allzu viel. Jianhua Zhao, die ein Buch über die chinesische Modeindustrie geschrieben hat, erklärte gegenüber der Onlineplattform "Fashionista": "Lange herrschte hier die Vorstellung, dass westliche Labels für bessere Qualität und besseres Design stehen." Parent bemerkt aber noch immer eine "gewisse Unsicherheit bei den Konsumenten". Sie wollen sich mit westlichen Brands international und kosmopolitisch geben.

Erste Designergeneration

Das bekam auch Guo Pei lange zu spüren. Sie gehört zur ersten Designergeneration des Landes, absolvierte bereits Anfang der 1980er an der Uni von Peking einen Designlehrgang. Damals war der Beruf des Modedesigners nahezu unbekannt. Pei spezialisierte sich früh auf aufwendig verarbeitete Couture, erlebte aber erst nach Jahrzehnten im Business ihren Durchbruch. Dafür musste sie nach New York reisen und Rihanna für die Met-Gala einkleiden. Ihr gelbes Kleid mit der langen Schleppe, von 100 Paar Händen gefertigt, ging als "Pizzakleid" in die Geschichte der Red-Carpet-Roben ein.

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Rihanna bei der Met-Gala im Mai 2015 im "Pizza-Kleid" von Guo Pei.
Foto: reuters/jackson

Dass "Made in China" nicht mehr gleichzusetzen ist mit anonymer Massenware oder gefakten Luxushandtaschen, hat auch die Ausstellungsmacherin Claudia Rosa Lucas festgestellt. Sie hat Ende letzten Jahres österreichisches Modedesign in Schanghai gezeigt. Während ihrer Aufenthalte beobachtete sie, dass neben den westlichen Marken allerorten chinesische Labels zu finden sind, "oft mit dem Hinweis auf einen "Shanghai-based Designer" oder mit dem Label "Created in China" versehen.

Längst gibt es eine junge Designergeneration, die im Ausland studiert hat. Eine Ausbildung im kreativen Bereich sei in China mittlerweile akzeptiert, erklärt Timothy Parent: "Immer mehr Eltern sind finanzkräftig genug, um ihre Kinder auf prestigeträchtige Universitäten wie das Saint Martins in London, das London College of Fashion oder die Parsons School in New York zu schicken." Viele von ihnen kehren wieder zurück. So wie Yilei Wu (siehe Porträt), die nach ihrem Modemarketingstudium am London College of Fashion in Schanghai eine Boutique eröffnet hat.

Keine Vintage-Kultur

Andere studieren in China – die "New York Times" verglich im letzten Jahr eine Handvoll experimenteller Designer aus der Küstenstadt Xiamen mit den "Antwerp Six", einer Gruppe belgischer Designer, die in den 1980er-Jahren Furore machte. "Während es in China nach seiner Öffnung 1989 mit der Mode sehr langsam losging, lässt sich seit dem Jahr 2010 eine echte Explosion an Labels beobachten", meint Parent. Auf der Straße komme diese Mode aber nur bedingt an, muss auch der Journalist einräumen. Viele Konsumenten kennen die jungen, kreativen Designer nicht. Sie setzen auf trendige Massenware.

"Die Leute kleiden sich modisch. Es muss aber immer alles neu gekauft werden, eine Vintage-Kultur gibt es nicht", meint auch Fotografin Daliah Spiegel, die seit zwei Jahren in Schanghai lebt (und diese Bilderstrecke fotografiert hat). Was sie mag: den "Ayi-Style", den sogenannten Putzfrauen-Style – Ärmelschoner, Pyjama-Outfits, Sonnenschutzkäppchen. Schanghai kann auch schräg! (Anne Feldkamp, RONDO, 7.4.2017)

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