Hamid darf sich nicht erinnern, und zur Sicherheit will er es auch gar nicht. Ahmed schweigt wie ein Grab und lächelt dabei. Leila sagt kein Wort und tut es mit Charme – keine Namen, nichts über die Ereignisse: nichts über die beiden afrikanischen Präsidenten, die hier neulich ein paar Tage in der größten Villa gemeinsam Urlaub gemacht, groß gefeiert und bestimmt auch über irgendetwas beraten haben. Zwischendurch haben die zwei immer wieder einmal mit der Shuttle-Yacht zum 20 Fahrtminuten entfernten Festland nach Abu Dhabi übergesetzt und sind in dunklen Limousinen verschwunden, um bald darauf auf ihre Ferieninsel im Persischen Golf zurückzukehren.

Hamid, Ahmed, Leila und all die anderen schweigen aus zwei Gründen: weil größte Diskretion ein kostbarer Luxus ist und es sich in einem Hotel dieser Klasse für jeden Mitarbeiter so gehört – zumal auf einer Privatinsel. Und weil es auf Nurai Island normal ist, Gäste zu haben, die prominent sind.

Wochenendhäuser der Oberschicht

Die meisten Eilande hier draußen im Golf vor der Emirate-Hauptstadt mit ihrer Wolkenkratzer-Skyline, ein paar Dutzend alles in allem, haben keine Landschaft. Es sind flache Inselchen, die einfach nur unverhofft aus dem Wasser schauen. Die meisten müssen quasi ohne Natur auskommen, ohne Bewuchs. Außer ein Mangrovengürtel umgibt sie – auch das gibt es. Ansonsten unterscheiden sie sich nur in der Größe des Palastes, der darauf errichtet wurde.

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Im Persischen Golf vor den Vereinigten Arabischen Emiraten liegen unzählige sandige Eilande. Vor Dubai mussten sie künstlich aufgeschüttet werden, vor Abu Dhabi sind sie ein Geschenk der Natur.
Foto: Getty Images / Nikada

Vor allem Einheimische aus der Oberschicht Abu Dhabis sind es, die dort ihre standesgemäßen Wochenendhäuser haben, mit der eigenen Yacht nach Feierabend kommen, mit Freunden am Privatstrand grillen oder relaxen – weil immer ein leichter Wind weht und es angenehme drei, vier Grad kühler ist als drüben in der Stadt. Diese Inseln sind Sandbänke, kleine Parzellen aus Wüste im Meer. Gemeinsam haben sie, dass keiner einfach so anlanden darf.

Nur Licht

Nurai ist die Ausnahme. Und auch das erst neuerdings – seit es dort ein Hotel gibt. An der schmalsten Stelle ist das Eiland, dessen Name sich vom arabischen Wort "nur" für "Licht" ableitet, gerade einmal 180 Meter breit, maximal ist es zwei Kilometer lang. Es gibt eine mit dicken Felsbrocken zum offenen Meer hin gesicherte Seeseite, eine stille sichelförmige Strandbucht, von Palmen und Bougainvilleas gesäumte Sandwege, Rasenflächen, einen Garten.

Wer will, kann einen Tagespass buchen, der neben Transfer, Strand- und Poolzugang auch ein Drei-Gänge-Menü für alles in allem gut 150 Euro beinhaltet und auf etwa drei Dutzend limitiert ist. Es sind die, die einmal Einblick in diese Welt erhalten möchten, all das als kuriosen Ausflug mit Top-Verpflegung sehen – und sich die knapp 1.000 Euro pro Nacht für die Übernachtung in einer Villa mit Privatpool dann doch lieber nicht leisten möchten.

Der Traumverwirklicher legt Hand an

Für den Soundtrack zum Strandtag sorgen Singvögel und sanfte Wellen. Auch zwei riesige Schwäne gibt es – die aber bleiben stumm, sie sind aus Hartplastik und lassen sich vom Wind als Schwimmspielzeug über den großen Hauptpool zwischen Cocktail-Bar und Frühstücksterrasse schieben. Drei Bademeister aus Hikkaduwa in Sri Lanka passen auf, dass sie nicht kentern.

Derweil kümmern sich 30 Gärtner im Dauereinsatz darum, aus der Sandinsel von einst mit viel Geduld einen kleinen Dschungel zu machen. Einer von ihnen trägt diesen Morgen ein T-Shirt mit der Aufschrift "Dreambuilder", auf Deutsch ungefähr "Traumverwirklicher". Mit Süßwasserleitungen, 800 vom Festland herbeigeschafften Dattelpalmen lässt sich hier so etwas Ähnliches wie die Optik einer Malediven-Insel verwirklichen. Und mit jeder Gießkanne Süßwasser wird das Grün üppiger.

Gute Ausgangslage

Besitzer der Insel ist Scheich Mansour bin Zayed al-Nahjan, ein Bruder des Herrschers von Abu Dhabi. Die Idee aber, der sandigen Insel einen Malediven-Look zu verpassen, ein Hotel zu bauen und ein Ziel für betuchte Reisende daraus zu machen, hatte die einheimische Immobilienunternehmerin Nadia Zaal. Sie ahnte, dass es eine Herausforderung sein würde.

Inspiration for Travellers

Gut sieben Jahre nach dem Spatenstich und eine knappe Milliarde Dollar an Investmentkosten später lockt Nurai Island nun jene beiden afrikanischen Präsidenten ebenso an wie die üblichen Verdächtigen: Richard Branson war schon da, Lionel Richie oder Albert von Monaco. Nur weil sie selber kein Geheimnis daraus machten, ist es bekannt geworden. Hamid, Ahmed, Leila und all die anderen hätten auch darüber geschwiegen – ebenso wie zu dem Gerücht, wonach Brad Pitt hier auf der Insel gewohnt haben soll, als er jüngst zu Dreharbeiten in Abu Dhabi war.

Delfine ohne Tagespass

Die Ausgangslage ist besser als bei den Nachbarn in Dubai. Denn die mussten ihre Inseln erst aufschütten – mit aller Mühe, die das macht. Diese hier hat Allah den Scheichs einfach so beschert, und allenfalls landete mal ein Fischer hier für einen Zwischenstopp an oder kam jemand, um Schildkröten zu zählen. Ursprünglich waren allesamt unbewohnt, und die meisten Tage der Woche gilt das sogar noch heute.

Zwischen den Inseln sind Delfine unterwegs, tauchen und springen, wann immer ihnen danach ist. Sie haben es besonders gut, sie kommen ohne Tagespass aus. (Helge Sobik, RONDO, 11.4.2017)