Traumatische Erinnerungen medikamentös abschwächen: Nach Einnahme des Antibiotikums Doxycyclin erinnern sich Studienteilnehmer deutlich weniger an ein unangenehmes Ereignis.

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Körperliche Gewalt, Krieg oder auch eine Naturkatastrophe können eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auslösen. Betroffene durchleben das belastende Ereignis immer wieder – durch plötzlich auftretende Erinnerungen oder als sich wiederholende Albträume. Während seelische Verletzung oft mithilfe einer Psychotherapie behandelt werden, sucht ein Forscherteam der Psychiatrischen Universitätsklinik und der Universität Zürich nach einem Weg, das Traumagedächtnis medikamentös zu beeinflussen.

Im Tiermodell erprobte Möglichkeiten waren beim Menschen bisher nicht anwendbar oder nicht wirkungsvoll genug. Nun testeten Schweizer Forscherinnen und Forscher erfolgreich ein neues Medikament, das bei Menschen die Erinnerung an ein negatives Erlebnis deutlich abschwächt.

Antibiotikum hemmt Enzym der Gedächtnisbildung

Das Team unter der Leitung von Dominik Bach, UZH-Professor und Arzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik, stellt einen neuen Ansatz vor. Es untersuchte, wie sich die Hemmung eines für die Gedächtnisbildung wichtigen Enzyms auf traumatische Erinnerungen auswirkt.

Erst seit jüngster Zeit ist aus Laborversuchen bekannt, dass für die Gedächtnisbildung Eiweisse aus dem Raum zwischen Nervenzellen, der Extrazellulärmatrix, benötigt werden. Diese Enzyme, sogenannte Metalloproteinasen, kommen im gesamten Körper vor und sind etwa bei der Entstehung von Herzerkrankungen und verschiedenen Krebsarten beteiligt. Das Antibiotikum Doxycyclin hemmt die Aktivität dieser Enzyme und ist für mehrere dieser Erkrankungen bereits erprobt. Das Forscherteam testete nun, wie sich Doxycyclin auf die Gedächtnisbildung auswirkt.

Negative Reaktionen zwei Drittel schwächer

Knapp 80 Personen, eingeteilt in Experimental- und Kontrollgruppe, nahmen am Versuch teil. In einem Experiment erhielten die Probanden leicht schmerzhafte elektrische Reize, die sie mit einer spezifischen Farbe zu verknüpfen lernten. Die Probanden in der Experimentalgruppe erhielten vorher das Antibiotikum, im Gegensatz zur Kontrollgruppe, die ein Placebo einnahm. Die Probanden der Kontrollgruppe zeigten – während sie die Farbe sahen – sieben Tage später verstärkte Schreckreaktionen. "Bei Probanden der Experimentalgruppe waren die späteren Schreckreaktionen im Vergleich zur Kontrollgruppe rund zwei Drittel schwächer", sagt Dominik Bach.

Damit würde erstmals gezeigt werden, dass das Antibiotikum Doxycyclin das emotionale Gedächtnis abschwäche, wenn es vor einem negativen Ereignis eingenommen wird. Die Ergebnisse würden belegen, dass Metalloproteinasen nicht nur als Werkzeuge im Labor verwendet werden könne, sondern auch beim Menschen für die Gedächtnisbildung relevant sei. Und: "Bereits mit dem heutigen Wissensstand könnte Doxycyclin wahrscheinlich angewendet werden, um vorhandene emotionale Erinnerungen zu dämpfen – wenn Patienten das wünschten", sagt der Arzt an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. (red, 4.4.2017)