Eduard Angeli wird mit einer umfangreichen Retrospektive gewürdigt.

Foto: Claudio Franzini

Wien – Das Museum: ein Ort der Stille. Der Stille? Ja, war einmal. Und, so ist man geneigt ganz platt hinzuzufügen, war einmal schön. In unserer durchmedialisierten Welt ist Aufmerksamkeit ein knappes Gut und Kunst ein dauererregendes, täglich frisch befülltes Unterhaltungstool, so viel Spaß muss sein. Das Leise, Konsequente, Nachdenkliche und nachdenklich Machende hat allerbeste Aussichten, übersehen zu werden.

Venedig als unerschöpfliches Motivreservoir: "Bar2" aus dem Jahr 2000.
Foto: Eduard Angeli

Doch Friedrich Nietzsche schrieb: "Die größten Ereignisse – das sind nicht unsre lautesten, sondern unsre stillsten Stunden." Auch insofern ist die Ausstellung von Eduard Angeli in der Albertina derzeit eines der großen Kunstereignisse in Wien.

Denn Angeli malt die Stille. In aller buchstäblichen Ruhe und geradezu skandalösen Klarheit entfaltet seine Kunst ihre ganze magische Wirkmacht: messerscharfkantige Mauern; mysteriöse Dachlandschaften; tote Städte; Geisterstrände; grau in graue Häuserfassaden mit verriegelten Fenster- und Türläden, jedes Detail übrigens mit geradezu altmeisterlicher Präzision gemalt; gespenstische Hafenszenen; Bars, hinter deren verschlossenen Türen sich die Verlorenen und Vergessenen tummeln mögen; pastellene Wasserspiegelungen von betörender Zartheit; leergefegte Gassen: Bühnenbilder, die noch auf den Auftritt der Darsteller warten. Seit fast vierzig Jahren lässt Angeli weder Mensch noch Tier in seine Kunstwelten. Sogar sich selbst hat er aus seinem Studio verbannt, nur ein verloren vor der bleichen Wand stehender Hocker lässt vermuten, wo sich der Künstler befunden hat, als er das Bild gemalt hat.

Eduard Angeli "Haus" (2005)
Foto: Albertina, Wien

Einsamkeit als Sehnsuchtsort. Dabei, sagt Angeli, sei er eigentlich ein geselliger, optimistischer Mensch, "aber diese melancholischen Stimmungen interessieren und faszinieren mich". Auch beim Arbeiten suche er die vollkommene Ruhe, keine Besuche, keine Musik als Stimulans. Stattdessen Konzentration auf das Wesentliche: die Kunst. Zumindest für sechs Monate im Jahr zieht er sich in sein Atelierhaus am Lido von Venedig zurück – jener Stadt, deren "verdämmernde Pracht" (Angeli) eines seiner bevorzugten Motivreservoirs ist. Er malt nicht in, aber nach der Natur; Schnappschüsse dienen dem Vielgereisten als Erinnerungsstütze, wenn er in seine regungs- und geräuschlosen Wirklichkeiten aus Ölfarben, Kohle, Kreide, Rötel, Jute und Papier auswandert.

Eduard Angeli "Leuchtturm, grün" (2012)
Foto: Eduard Angeli

"Diese Bilder sind keine Veduten, sie sind innere Gesichte einer dämmrigen Stille", schreibt Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder im Katalog zur Retrospektive, die er auch kuratiert hat. Dass er das Werk und den Künstler seit Jahrzehnten kennt und schätzt, sieht man an der klugen Auswahl und sensiblen Hängung: Diese Ausstellung in der Basteihalle ist, schlicht gesagt, einfach schön. Und zwar von allem Anfang an.

Da hängt nämlich, als Zitat des Frühwerks, ein farbexpressives, fast fahriges Triptychon, nackte, einander umschlingende Körper in Rot und Grün. Und im Dialog damit eines der typischen, nachtdunklen Venedig-Bilder. Großartig und noch nie ausgestellt: die an Farbfeldmalerei erinnernden Gemälde aus den 1980er-Jahren.

Entrümpelt von allem Erzählerischen

Geboren 1942 in Wien, wuchs Angeli in einer Meidlinger Bassenawohnung in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf. Einziger Luxus waren Bücher als Fluchthelfer hinaus aus der beengten Realität in die unendlichen Möglichkeiten der Fantasie. Das, sagt er, sei auch der Grund gewesen, warum er mit 17 nicht Sportlehrer wurde, sondern an der Akademie der bildenden Künste bei Robin Christian Andersen Malerei studierte. "Und außerdem war der Geruch von Terpentin verlockender als der verschwitzter Socken."

Jede Perspektive ein Ausblick in abgründige Unendlichkeiten, so entrümpelt von allem Erzählerischen, so entvölkert, so kahl und streng, so nachtmahrisch, so dramatisch und verheißungsvoll, mitunter so fröstelerregend kühl und duster – und gleichzeitig so voller poetischer Melancholie und Licht.

Eduard Angeli "Der Palastplatz" (2014)
Foto: Eduard Angeli

Denn Eduard Angeli ist nicht nur ein Meister der Stille, er ist auch ein grandioser Lichtmaler, wahlverwandt mit, ja, durchaus, Künstlern wie William Turner, Caspar David Friedrich, Giorgio De Chirico, Edward Hopper. Das Licht fließt durch Mauerritzen, es leuchtet über Dächer, überflutet Hauswände, hellt den Sand, saugt den Betrachter in die tiefsten Tiefen aus Farbe, Raum, Licht und gefrorener Zeit.

Das Ende der Reise heißt ein Gemälde aus dem Jahr 1976, die vielschichtigen Weißnuancen des Himmels gehen in jene des aufgeblähten Sandes über, dazwischen, ahnbar, das Meer. So als wäre der Satz aus Michael Glawoggers poetischem Filmvermächtnis Untitled genau für Angelis Kunst geschrieben worden: "Das Licht hat viele Schichten – bis es dunkel wird." (Andrea Schurian, 5.4.2017)