Istanbul – Fünf Monate nach der Inhaftierung von 19 Journalisten und Mitarbeitern der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" hat die türkische Staatsanwaltschaft am Dienstag die Anklageschrift vorgelegt und darin lange Haftstrafen gefordert. Den Journalisten, die seit Ende Oktober in Haft sitzen, wird die Mitgliedschaft in einer "Terrorgruppe" sowie die Unterstützung verbotener Organisationen vorgeworfen.

Die Istanbuler Staatsanwaltschaft bezichtigt "Cumhuriyet", seit 2013 unter Kontrolle von Fethullah Gülen zu stehen. Der islamische Prediger wird in der Türkei für den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli 2016 verantwortlich gemacht. Zugleich wird dem Blatt in der Anklageschrift vorgeworfen, mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und linksradikalen Gruppen zu kooperieren.

"Cumhuriyet" weist Vorwürfe zurück

"Cumhuriyet" hat die Vorwürfe zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass es die Gülen-Bewegung bereits kritisiert habe, als die regierende AK-Partei noch mit ihr verbündet war. Unter den inhaftierten Journalisten sind "Cumhuriyet"-Chefredakteur Murat Sabuncu, der Kolumnist Kadri Gürsel, der Karikaturist Musa Kart und der Investigativjournalist Ahmet Sik.

Die Staatsanwaltschaft forderte jeweils bis zu 15 Jahre Haft für Sabuncu und Gürsel, während der Vorsitzende der "Cumhuriyet"-Stiftung, Akin Atalay, bis zu 43 Jahren ins Gefängnis soll. Sik, der mit einem Enthüllungsbuch über die Gülen-Bewegung für Aufsehen sorgte, drohen 15 Jahre Haft und dem Karikaturisten Kart 29 Jahre. Die Journalisten sitzen im Gefängnis Silivri ein.

Fotos der Inhaftierten

"Cumhuriyet" ist die älteste Zeitung der Türkei und zählt zu den entschiedensten Kritikern des islamisch-konservativen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die kemalistische Zeitung druckt seit den Festnahmen im Oktober jeden Tag die Fotos der inhaftierten Mitarbeiter auf ihre Titelseite. Die Stellen, an denen ihre Kolumnen erschienen, lässt das Blatt seitdem weiß.

Die Zeitung ist der Regierung schon lange ein Dorn im Auge. Der frühere "Cumhuriyet"-Chefredakteur Can Dündar wurde vergangenes Jahr wegen eines Berichts über geheime Waffenlieferungen des türkischen Geheimdiensts an islamistische Rebellen in Syrien zu fast sechs Jahren Haft verurteilt. Heute lebt er im Exil in Deutschland. (APA, 4.4.2017)