Eltern und Kind lernen bereits früh, was wichtig in der Erziehung und im Zusammenleben ist.

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Lisa krabbelt wie wild durch das Wohnzimmer. Die Balkontür ist offen, das zwölf Monate alte Baby will nach draußen krabbeln, doch Mama Elisabeth hebt sie hoch, bevor sie über die Schwelle gelangen kann, und setzt das Mädchen mitten im Wohnzimmer ab. Doch Lisa krabbelt wieder zurück zur offenen Balkontür.

Der 18 Monate alte Johannes versucht Moritz, den Kater der Familie, am Schwanz zu ziehen. Papa Erich befreit den Kater aus dem Fängen seines Kleinkindes seit Tagen.

Esther räumt mit sehr viel Spaß und Freude die Handtasche von Eva, ihrer Mama, aus. Jedes Mal, wenn die Mutter die Tasche unabsichtlich auf den Boden stellt, ist die Zweijährige schon dabei, alles auszuräumen. Meist bemerkt Eva das schnell und stellt die Tasche nach oben, wo Esther sie nicht erreichen kann. Dann beginnt das Mädchen regelmäßig zu weinen.

Erziehung beginnt ab den ersten Tagen nach der Geburt

Sehr schnell zeigt sich, was für das Neugeborene notwendig ist, was für die Eltern Priorität hat und was für das gemeinsame Zusammenleben wichtig ist. Erziehung findet bereits statt, wenn Eltern ihr Kind wickeln, füttern und zum Einschlafen bringen wollen, wenn sie dem Baby den Schnuller in den Mund stecken, damit es nicht schreit, oder sie in unterschiedlichen Stimmlagen auf ihr Kind reagieren. Zum Beispiel lernt schon der Säugling, der beim Stillen zu fest zubeißt, anhand der Reaktion der Mutter, das besser nicht mehr zu machen.

Kleinkinder werden, sobald sie krabbeln, rutschen oder sich rollen können, mobiler. Sie haben Ideen und wollen diese umsetzen. Alles aber finden die Erwachsenen nicht so toll, und daher werden die Kleinen auch schon mal in ihrem Tatendrang gestoppt.

Kleine Kinder kann man noch gut ablenken. Da raschelt oder klappert die Mama mit irgendetwas, und schon ist das vergessen, was gerade noch spannend erschien. Eltern, die vorausdenken und ihre Kleinkinder beobachten, finden schnell heraus, was diesen gerade Spaß machen könnte und sind damit auf der sicheren Seite. So können zum Beispiel Blumentöpfe weiter hinauf gestellt werden, um zu verhindern, dass die Kleinen auf die Idee kommen, in der Erde zu graben.

Versuch und Irrtum

Für ein Kleinkind ist es ein ganz großes Thema, alles allein zu versuchen. Die meisten Kinder sind in diesem Alter mutig, sie trauen sich meist viel zu, versuchen und probieren etwas aus. Und sie scheitern an zu großen Plänen – das ist normal und ein notwendiger Entwicklungsschritt. Denn Kinder lernen durch Versuch und Irrtum. Dies sollten Eltern und Bezugspersonen zulassen, solange es nicht gefährlich für das Kind ist. Da wird schon mal ausprobiert, ob Papas Schuh an den eigenen Fuß passt oder die Schultasche des größeren Geschwisterchens auch zum Schieben verwendet werden kann. Alles ist möglich in den Gedanken der meisten Kleinkinder.

Oftmals versuchen Eltern viel zu schnell, ihren Kindern zu helfen. "Warte, ich helfe dir!", sagen sie dann, und schon fühlt das Kleinkind seine Niederlage. Stattdessen kann man als Bezugsperson dem Kind etwas anbieten, wodurch es die Hürde leichter nehmen kann.

"Winterstiefel! Sicher nicht! Die Sandalen will ich anziehen!" Im Trotzalter ist Durchsetzungswille auch Selbstwirksamkeit. Wenn das Kind eigenständig entscheiden kann, erlebt es sich selbst als eigene Person, die etwas bewirken kann.

Grenzen setzen oder trotzdem alles erlauben?

Eltern und Bezugspersonen, die genau wissen, warum sie etwas jetzt nicht erlauben können oder wollen, haben dadurch meist genügend Sicherheit und auch die Nerven, sich vom Kinderprotest nicht beeinflussen zu lassen.

Konsequenz statt Sturheit ist für Eltern und Bezugspersonen angebracht. Will das Kind etwas, wobei Eltern und Bezugsperson leichter auch einmal nachgeben können, warum nicht? Für Situationen, in denen keine Meinungsänderung möglich ist, bedarf es klarer Regeln und Grenzen. Kinder, die wissen, dass Eltern und Bezugspersonen für bestimmte Situationen klare Regeln haben, vermitteln dem Kind eine stabile, klare Welt.

Grenzen und Regeln schützen Kinder und Bezugspersonen vor zu viel Stress im Alltag. In einer Erziehung, die sich an den Bedürfnissen der Kinder und der Eltern orientiert, findet sich ein ausgeglichener Mittelweg zwischen Grenzen, Regeln und Möglichkeiten des Ausprobierens.

Kinder wollen Aufmerksamkeit

Wenn Erwachsene sich anderweitig beschäftigen, haben Kleinkinder oft das Bedürfnis zu kuscheln. Erwachsene, die reden, lachen und sich mit den anderen Erwachsenen beschäftigen, erleben oft, dass genau dann das Kind auf den Schoß möchte und kuscheln will. Das Kleinkind hat in diesem Moment das Gefühl, nicht genügend Aufmerksamkeit zu bekommen und möchte gerne dabei sein, wenn der Papa telefoniert oder die Mama mit der Nachbarin an der Tür spricht.

Kinder wollen spüren, dass die Eltern trotz der Aufmerksamkeit, die andere Menschen von ihnen erhalten, da sind. Es ist keine gute Idee, Kleinkinder, die am Hosenbein zerren und sich daran klammern, zu ignorieren. Sie werden sich nicht dabei beruhigen, sondern eher lauter und fordernder werden. So ist es einfacher, das Gespräch weiterzuführen, aber dabei das Kind auf den Arm zu nehmen oder am Schoß sitzen zu lassen.

Sobald Kinder die Sprache für sich entdeckt haben, werden sie versuchen, sich in Unterhaltungen miteinzubringen. Kinder, die von Anfang an nicht um die Aufmerksamkeit der Erwachsenen buhlen müssen, legen es als größere Kinder wieder ab, im Gespräch dazwischenzureden. Gespräche, die Erwachsene unter sich führen möchten, sollten ohne Kinderohren stattfinden.

Tischsitten von Anfang an

Babys sind neugierig und wollen ebenfalls probieren, was die Erwachsenen essen. Nicht immer schmeckt ihnen jedoch, was für sie bestimmt ist, und so bedarf es manchmal etlicher Versuche, bis das Baby einen neuen Geschmack akzeptiert.

Für Kleinkinder, die versuchen, das selbstständige Essen zu lernen, gibt es noch keine Tischmanieren, außer dass der Löffel hoffentlich irgendwann im eigenen Mund landet. Autonomie ist auch beim Essen ein wichtiger Punkt. Dürfen Kinder selbst ausprobieren zu essen, ist diese sinnliche Erfahrung meist positiv besetzt, und sie werden sich wohl viel eher trauen, Speisen und Geschmacksrichtungen auszuprobieren.

Es darf sein, dass dem zweijährigen Kind etwas nicht schmeckt. Je mehr sich Kinder bei der Essensplanung mitbeteiligen können, desto weniger Protest wird es geben.

Wollen Eltern ihrem Kind nicht mit dem Löffel nachlaufen müssen oder ihrem Nachwuchs jedes Mal, wenn es vorbeiläuft, einen Löffel voll in den Mund stecken, dann muss ein Kind von Anfang an lernen, dass es während des Essens beim Tisch sitzen soll. Niemand wird verlangen, dass es sitzenbleibt, bis alle mit dem Essen fertig sind, und es darf aufstehen, wenn es selbst fertiggegessen hat.

Aufräumen von Anfang an

Kleinkinder haben noch nicht allzu viel Spielzeug. Erwachsene können mit dem Kind gemeinsam am Abend eine Kiste befüllen, in der alle Sachen bis zum nächsten Morgen warten. Alles ist in diesem Alter ein Spiel, so auch das gemeinsame Aufräumen. Etwas ältere Kinder freuen sich, wenn sie der Mama helfen können. Dies gibt Eltern und Bezugspersonen die Möglichkeit, dass die Spielsachen gemeinsam wieder an den dafür vorgesehenen Ort zurückgeräumt werden können. So gehören zum Beispiel Bagger und Autos in die Garage, die Stofftiere in die Kiste und die Sachen für die Spielzeugküche ins Regal. Jedes Ding hat seinen Platz. Für Kinder ist die Suche nach dem Platz ein beliebtes Spiel, bei dem sie gerne mitmachen werden.

Wenn Kinder größer sind, entwickeln sie ihre eigene Vorstellung von Ordnung. Da hilft es dann, im Kinderzimmer Plätze festzulegen, wo das Auto bis zum nächsten Morgen warten kann oder die Puppe schlafen kann. Bis zum Volksschulalter brauchen Kinder Hilfe und Unterstützung durch Eltern und Bezugspersonen beim Aufräumen.

Wie ist Ihre Erfahrung?

Ab wann beginnt Ihrer Meinung nach Erziehung? Was ist Ihnen in der Erziehung Ihrer Kleinst- und Kleinkinder wichtig? Posten Sie Ihre Erfahrungen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 7.4.2017)