Außenminister Kurz besuchte Innsbruck.

Foto: AV Austria

Volles Stundentenverbindungshaus beim Auftritt von Sebastian Kurz in Innsbruck.

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Innsbruck – Der Festsaal im Verbindungshaus der AV Austria war am Mittwochnachmittag vollbesetzt. Die älteste katholische, farbentragende, nichtschlagende Studentenverbindung des Cartellverbands hatte zur Veranstaltung "Klartext mit Sebastian Kurz" geladen. Und es kamen nicht nur Korporierte, die leicht an ihrer Couleur erkennbar waren. Auffallend viele junge Zuhörerinnen wollten den Außenminister reden hören und die Chance nutzen, ihm Fragen zu stellen.

Die 20-jährige Sandra G. (Anm.: Name auf Wunsch der Zitierten gekürzt) ist Mitglied der Jungen Volkspartei. Sie fand Kurz schon immer spannend: "Er polarisiert, und er spricht die Jungen an." Sie hat ihn bereits mehrmals getroffen und zählt sich zu seinen Fans. Als Kanzlerkandidaten sieht sie ihn dennoch nicht: "Er ist noch zu jung dafür. Beim nächsten Mal dann." Sie würde bei der kommenden Wahl SPÖ-Kanzler Christian Kern wieder die Führungsrolle in einer rot-schwarzen Koalition zusprechen. Weil dessen Positionen mittlerweile ohnehin "sehr nahe an jenen der ÖVP" seien.

Kurz bekräftigt harten Kurs bei Migration

Zum Auftakt der Veranstaltung wurde Kurz im Rahmen eines Interviews vorgestellt. Er beantwortete launig Fragen zu seinem Werdegang und seiner Jugendlichkeit, bevor das Mikrofon ins Publikum wanderte. Nun durften die Zuhörer den Minister um Antworten bitten. Kurz nutzte das Format, um seine Linie in Sachen Flüchtlingspolitik noch einmal darzulegen. Die Schließung der Mittelmeerroute, analog zu der auf dem Westbalkan, und Auffanglager an den Außengrenzen sowie in Krisengebieten – Stichwort Resettlement – seien die einzigen Optionen, bekräftigte er. Immer wieder spendeten seine Fans Szenenapplaus.

Die Praxis, dass im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge aufs italienische Festland gebracht werden, müsse ein Ende finden, so Kurz: "Dazu ist eine politische Entscheidung auf europäischer Ebene nötig." Er glaubt, diese werde bald fallen, weil den Verantwortlichen langsam klar werde, dass das der einzige Weg sei, das Sterben zu stoppen. Das Europa ohne Binnengrenzen sei nur haltbar, wenn die EU ihre Außengrenzen dichtmache. Zugleich malte er für die Tiroler das Horrorszenario an die Wand, dass die Situation auf dem Brenner bald jener von Spielfeld vor anderthalb Jahren gleichen werde, wenn man die Boote nicht stoppt.

Natürlich durfte die Tiroler VP-Prominenz beim Auftritt des Außenministers nicht fehlen. So sonnten sich unter anderen Bildungslandesrätin Beate Palfrader, Landtagsklubobmann Jakob Wolf und Innsbrucks Stadtparteiobmann Franz Gruber im Licht des Strahlemanns vom Minoritenplatz. Oder, wie Wolf ihn nannte: "Sebastian ist die Trägerrakete der ÖVP." Er habe viel Potenzial, ob er auch das Zeug zum Kanzler habe, wollte der Klubobmann aber nicht so deutlich sagen: "Die Partei muss die Chance sehen, mit solchen Personen Wahlen zu gewinnen. Wobei die Partei natürlich mehr ist als nur eine Person." Innsbrucks Gruber ist überzeugt, dass "die ÖVP die richtige Wahl für die Position des Spitzenkandidaten" treffen werde. Er persönlich favorisiere Kurz, weil dieser "einen neuen Politikstil des Handelns statt Redens" vertrete.

Integration als Frage der Quantität

Integrationsminister Kurz nutzte den Auftritt, um auch sein neues Integrationskonzept zu bewerben. Verpflichtende Deutschkurse und gemeinnützige Arbeit sowie ein Verbot der Vollverschleierung seien dringend umzusetzende Maßnahmen. "Weil 90 Prozent ein Jahr nach dem positiven Asylbescheid noch immer keine Arbeit haben", so Kurz. Zudem untermauerte er seine Forderung nach Zuwanderungsbeschränkungen: "Der Erfolg von Integration hängt vom Zustrom und der Menge von Menschen ab, die zu integrieren sind." Auch zu diesem Punkt kamen nur mäßig kritische Fragen aus dem Publikum, die den wortgewandten Minister nicht aus der Reserve lockten.

Auf europäischer Ebene propagierte Kurz eine Doppelstrategie. Ein Europa, das nach außen mit einer starken Stimme auftritt, das aber zugleich nach innen Kompetenzen an die Nationalstaaten abgibt, wo dies Sinn mache. Er nannte die Mutterschutzregelung als Beispiel, die weiterhin national und nicht auf europäischer Ebene geregelt werden sollte. Außerdem trete er für ein "Europa der Subsidiarität" ein, sagte der Außenminister und bot einen kurzen Ausblick auf das zweite Halbjahr 2018, wenn Österreich den EU-Vorsitz übernimmt: "Das wird die heiße Phase des Brexit, wir haben dann die Chance, Zukunftsszenarien mitzuentwickeln."

Unentschieden zwischen Kurz und Kern

Nicht nur Fans des Außenministers waren gekommen, um ihn Klartext sprechen zu hören. Mirjam Stürz (22) und Sophia Klammsteiner (20) bezeichnen sich selbst als "links bis sehr links". Doch angesichts der Wahl 2018 sind beide ratlos, weshalb sie und weitere Freunde Kurz live hören wollten, um sich ein besseres Bild von ihm machen zu können. "Ich bin zwischen ihm und Kern hin- und hergerissen", sagt Stürz. Sie halte den SPÖ-Bundeskanzler für "nicht ganz gerade". Aber auch Kurz habe sie nicht wirklich überzeugt. "Eigentlich war ich immer Grüne", resigniert Stürz. Doch mit dem Eklat um den Rauswurf der Jugendorganisation sei die Partei für sie unwählbar geworden. Auch Klammsteiner will und kann nicht mehr Grün wählen: "Aber Kurz live zu sehen hat meine Meinung über ihn auch nicht ins Positive verändert." (Steffen Arora, 5.4.2017)