Ein Platz im Pflegeheim kostet ein Vielfaches der Betreuung zu Hause, die in Österreich einen besonders großen Anteil ausmacht.

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Wien – Sein Vortrag begann mit beruhigenden Worten. "Es gibt keine Pflegekrise", sagte Tobias Thomas vom Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria am Mittwoch bei der Bundesratsenquete zum Thema Pflege im Parlament.

Dann rückte Thomas mit den unangenehmeren Fakten heraus: Wegen der niedrigen Geburtenrate werde der Nachwuchs die häusliche Pflege künftig nicht im nötigen Ausmaß übernehmen können. Außerdem sei zwar die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf "in weiten Teilen gelungen, von Pflege und Beruf aber nicht". Hinzu komme, dass die geringen Kosten für 24-Stunden-Betreuungskräfte "nicht in Stein gemeißelt" seien. Im Gegenteil: Das Lohnniveau in deren Herkunftsländern stieg und steigt stark.

All das bedeute, so Thomas, dass Österreichs im EU-Vergleich hoher Anteil an informeller Pflege eher sinken, die Pflege im stationären Bereich also zunehmen werde. Damit sind höhere Kosten verbunden: Ein Pflegeheimplatz ist laut Thomas siebenmal teurer als Pflege daheim.

Einigkeit über Wichtigkeit

Nicht erst nach diesen Worten, die fielen, als die Vertreter der Bundesregierung bereits gesprochen und den Saal verlassen hatten, waren sich die Redner einig: Ein wichtiges Thema ist sie, die Pflege. Und es sei gut, dass man sich ihr ausführlich widme. Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP), im ersten Halbjahr 2017 Präsidentin des Bundesrats, hatte die eintägige Enquete "Pflege: Schaffbar, sichtbar, leistbar" initiiert.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) brachte zum Ausdruck, dass das Pflegesystem bis zum Jahr 2021 wohl gesichert sei, bis 2020 müssten aber "kreative Lösungen" für die Zeit danach gefunden werden. Das könne auch ein Mix sein – von einer Steuerfinanzierung über eine Versicherungslösung bis hin zu einer Versicherungspflicht. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) plädierte für die Abschaffung des Pflegeregresses und dafür, sich mit einer jährlichen Erhöhung des Pflegegeldes auseinanderzusetzen.

"Eigens Leben leben können"

In diesen Punkten stimmte Caritas-Präsident Michael Landau mit Stöger überein. In vielen Wortmeldungen, so auch in jener Landaus, nahm die Rolle der pflegenden Angehörigen einen breiten Raum ein: "80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen werden von Angehörigen gepflegt", sagte Landau. "Sie brauchen das Gefühl, auch ein eigenes Leben leben zu können." Es müsse sich aber auch jeder selbst an der Nase nehmen, sagte Edith Meinhard-Schiebel von der Interessengemeischaft pflegender Angehöriger: "Wer von Ihnen hat eine Patientenvollmacht? Wer hat eine Vorsorgevollmacht?"

Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) hielt fest, dass es gezielte Gesundheitsförderung und Prävention brauche, damit weniger Menschen stationärer Pflege bedürften. Bezüglich der Pflege in den eigenen vier Wänden forderte Volksanwalt Günther Kräuter "eine effektive Kontrolle" der 24-Stunden-Betreuung. Es brauche eine Qualitätssicherung.

Kein gemeinsames Ziel

Die Sozialsprecherin der Grünen, Judith Schwentner, schlug vor, "von dem Dogma abzurücken", dass Pflege zu Hause so lange wie möglich für jeden das Richtige sei. Schwentner stellte zudem fest, dass man sich noch nicht auf ein gemeinsames Ziel geeinigt habe. Man sei jedenfalls noch "sehr weit weg davon, dass es den Menschen in Österreich in allen Bundesländern gleich gutgeht".

Sonja Ledl-Rossmann wollte mit der Enquete einen "gemeinsamen Schulterschluss" erreichen. Dafür tourt die Bundesratspräsidentin auch durch die Bundesländer. Ein Positionspapier zu verabschieden, wie es bei der parlamentarischen Enquete zur Hospiz- und Palliativversorgung (" Würde am Ende des Lebens") im Jahr 2015 formuliert und beschlossen worden war, stand am Mittwoch aber nicht auf dem Programm. (Gudrun Springer, 5.4.2017)