Erika Vaal moderierte vielsprachig den Abend in der Wiener Hofburg.

Foto: Manfred Schreiber

Der glücklose österreichische Vertreter Peter Horten, der als Peter Horton heute noch musikalisch aktiv ist.

Foto: Manfred Schreiber

Gründete in Angola eine Band und vertrat Portugal in Wien: Eduardo Nascimento.

Foto: Manfred Schreiber

Vicky Leandros, die ihre Weltkarriere beim Wiener ESC begann.

Foto: Manfred Schreiber

Sandie Shaw: die Gewinnerin mit "Puppet on a String".

Foto: Manfred Schreiber

Manfred Schreiber im Gespräch mit Marco Schreuder und seinen gesammelten Erinnerungen an den ESC 1967.

Foto: Luis Sumariva/Marco Schreuder

Als Johannes Fehring und sein Orchester den zwölften Eurovision Song Contest am 8. April 1967 im Großen Festsaal der Wiener Hofburg eröffneten, kamen Lisa und Manfred Schreiber, junge Studenten, die gerade erst geheiratet hatten, zu spät. "Ich war damals Korrespondent für den 'Billboard', und der Song Contest in Wien war mein Einstand dort. Das Magazin brauchte Material vom Bewerb. Der Europadirektor kam dann nach Wien und wohnte im Sacher. Was wir davor machten, weiß ich nicht mehr, aber wir kamen zu spät." Mitten in der berühmten Eurovisionshymne, dem "Te deum" von Marc-Antoine Charpentier, erst Platz zu nehmen war der einprägsamste Moment für die Schreibers: "Es war knapp, eine Sekunde später gingen die Scheinwerfer an."

Imperialer Glanz beim Song Contest 1967: der Große Festsaal der Wiener Hofburg.
Foto: ORF

Ein anderer junger Reporter hieß Peter Rapp, der erst einige Monate später, im Oktober 1967, beim ORF eine Karriere starten sollte. In der Hofburg war er "wahrscheinlich für den 'Blauen Express'", wie er sich nicht mehr so ganz genau erinnert. Aber an das Publikum erinnert er sich noch gut: "Aus heutiger Sicht war es ein furchtbar versnobtes Publikum. Die Damen erschienen in Abendkleidern und die Herren im Smoking. Da gab es keine Jubelszenen, sondern höflichen Beifall. Mal lauter und mal leiser. Wenn ich heute daran denke: Es war schlimm." Aber damals sei das eben so üblich gewesen, erinnert sich Lisa Schreiber.

Von Erika Vaal bis Serge Gainsbourg

Dann durfte Udo Jürgens das Orchester mit einer Walzerversion von "Merci Chérie", dem Siegerlied des Vorjahrs, dirigieren, bevor Moderatorin Erika Vaal in vielen Sprachen das Publikum der Eurovision und der osteuropäischen Intervision begrüßte, die den Gesangswettbewerb damals im strikt von einem Eisernen Vorhang getrennten Europa ebenfalls live übertrug.

17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren beim Song Contest in der Hofburg dabei, einige davon sollten bis heute Eindruck hinterlassen und die ESC-Geschichte mitschreiben: Minouche Barelli zum Beispiel, die für Monaco an den Start ging und mit der Serge-Gainsbourg-Komposition "Boum badaboum" das gerade einsetzende Weltraumzeitalter samt Countdown besang. Der heute in der spanischsprachigen Welt immer noch ungemein populäre Raphael, der mit andalusischer Leidenschaft (nicht nur) Frauen in Ohnmacht singen konnte. Der portugiesische Teilnehmer Eduardo Nascimento mit seinem beeindruckenden Timbre, der ursprünglich aus Angola kam. Es waren allerdings zwei Frauen, die den Song Contest 1967 dominieren sollten.

Der Beginn einer Karriere: Vicky Leandros

Vicky hieß eine der beiden Frauen, trat mit "L'amour est bleu" für Luxemburg an und wurde Vierte. Den Nachnamen Leandros sollte sie erst später wieder ihrem Namen hinzufügen. Auch beim französischen Sender reichte sie einen Song ein, dort kam "Les Amoureux" jedoch nicht zum Zug. Vicky Leandros wurde damals von allen Medien als 17-jährige Künstlerin angekündigt, auch vom damaligen legendären ORF-Kommentator Emil Kollpacher. Später betonte Vicky Leandros immer wieder – sogar von ihrem Anwalt beglaubigt –, dass sie am 23. August 1952 geboren sei. Demnach wäre sie bei ihrem Wiener Auftritt erst 14 Jahre alt gewesen.

Vicky Leandros 1967 in Wien, irgendwas zwischen 14 und 17 Jahre alt.
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"L'amour est bleu" wurde ein weltweiter Erfolg und Evergreen. Die Instrumentalversion von Paul Mauriat erreichte 1968 in den USA Platz eins. 1972 trat Vicky Leandros dann erneut beim ESC an und konnte mit "Après toi" endlich gewinnen. Auch Peter Rapp war damals ihr Fan. "Vicky Leandros war nicht nur mein Favorit, sie war mein ausgesprochener Liebling."

Barfuß zum Sieg: Pop-Durchbruch beim ESC

Barfuß mit damals zeitgenössischem, wenn auch nicht allzu aufdringlichem Pop: So trat die Britin Sandie Shaw auf die Bühne und gewann den zwölften ESC mit "Puppet on a String" mit haushohem Vorsprung. Der Song wurde ein Hit, ihre Barfüßigkeit ist bis heute ein Thema.

Peter Rapp: "Das Bild, das sich bei mir am deutlichsten abgespeichert hat, ist die Sandie Shaw, die ohne Schuhe auf die Bühne ging. Das wurde als echter Skandal gewertet. In der ehrwürdigen Hofburg, der ehemaligen Residenz des Kaisers bloßhappert? Später hat sie mir als Gast in einer meiner Sendungen erzählt, dass sie so schlecht sah, dass sie Angst hatte, den Bühnenrand nicht zu sehen und von der Bühne zu fallen. Ohne Schuhe vertraute Sandie auf ihren Tastsinn." Sandie Shaw antwortet, angesprochen auf diese überlieferte Geschichte, heute allerdings anders: "Ich habe immer barfuß gesungen. Ich kann so besser singen." Warum? "Dann muss ich mir nicht um Schuhe Sorgen machen."

In ihren Memoiren erinnert sich Shaw eher nicht ganz so positiv an Wien, sie hat die damalige Hauptstadt sehr zuckerlrosa und kitschig in Erinnerung. Immerhin kam sie aus dem boomenden London der 60er-Jahre, das gerade Beatles und Rolling Stones feierte. Da wirkte die Hofburg mit Smoking, Walzer und Sängerknaben als Pausenact wohl eher bieder. Beim Interview zum 50. Jubiläum (per Mail, sehr kurz beantwortet, so als ob sie nicht mehr allzu viel damit zu tun haben möchte), ist sie gnädiger: "Die Begeisterung des Publikums war unglaublich. Von der Stadt habe ich leider nicht sehr viel sehen können. Die Show, Fotoshootings, Proben, Interviews, ich war dauernd beschäftigt. Aber ich erinnere mich, hervorragenden Kuchen gegessen zu haben."

Pressekonferenzen und Green-Room-Premiere 1967

Eines war 1967 schon genauso üblich wie bei heutigen ESCs: die Pressekonferenzen der teilnehmenden Stars. Allerdings fanden die nicht in einem Pressezentrum wie heute statt. Jusstudent Manfred Schreiber konnte diese besuchen, als er für das "Billboard"-Magazin berichtete und fotografierte. "Ich erinnere mich an die Pressekonferenz mit Vicky Leandros, die damals von ihrem Vater gemanagt wurde. Diese Pressekonferenzen fanden in der Woche zuvor überall in der Stadt statt und wurden von den Plattenfirmen organisiert. Die spielten damals eine entscheidende Rolle."

Manfred Schreiber war es auch, der die meisten der hier im Rückblick publizierten Fotos für das "Billboard" machte und freundlicherweise zur Verfügung stellte. Sie waren seitdem in seinem Privatarchiv und wurden für diesen Rückblick erst wieder ausgegraben.

Ein Element, das mittlerweile grundlegender Bestandteil des Eurovision Song Contest geworden ist, war die wohl einschneidendste Innovation des ORF 1967: Zum ersten Mal wurde während der Sendung der Green Room gezeigt.

Der Vertreter Österreichs: Peter Horten

Peter Horten vertrat Österreich mit dem Song "Warum es hunderttausend Sterne gibt", wurde allerdings nur 14., hatte also seinen Makemakes-Moment bereits 1967: "Das ist bei solchen Wettbewerben immer so, dass letztlich ganz andere Elemente mit hineinwirken. Ein gewisser Druck war schon da, ich empfand es jedoch nicht als störend", erinnert sich der heute in München lebende Chansonnier. "Es war nicht schreckhaft für mich, nur im rückwärtigen Teil zu landen. Mein Lied war im Gegensatz zum Siegertitel vielleicht ein bisschen antiquiert, wir waren 1967 schon mitten im Beat-Zeitalter. Im Jahr darauf entschied man sich übrigens wieder für eine Komposition von Udo Jürgens, gesungen von Karel Gott, der immer ein bemerkenswerter Sänger war. Trotzdem kam dieser Titel nur auf den 13. Platz. Beim Song Contest ist eben nichts kalkulierbar."

Peter Horten nennt sich seit vielen Jahren Peter Horton und tritt immer noch auf. So sind auch im Herbst wieder Konzerte in Deutschland geplant. "Ich habe etwa 600 Werke, Lieder geschrieben, bisher elf Bücher und viele Artikel."

An die Hofburg 1967 hat er aber immer noch eine lebhafte Erinnerung: "Natürlich die Hofburg, zu der ich eine innige Beziehung hatte, da ich ja bereits als Sängerknabe oft dort agierte. Ich habe es genossen, mit Johannes Fehring und seinem Orchester aufzutreten, von dem ich schon als 16-Jähriger begeistert war. Es waren wunderbare Menschen auf allen Ebenen da. Mein Gesang hatte noch ein paar klassische Elemente, die ich später stilistisch veränderte, und meine Mutter war betrübt, dass ich nicht im Fernsehen an sie winke, winke in die Kamera machte."

Ob die Teilnehmer von damals den ESC heute noch verfolgen?

"Natürlich erinnere ich mich an Conchita vor drei Jahren, die in der Tat sehr gut gesungen hat. Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass der ESC noch immer ein Komponisten-Wettbewerb ist", sagt dazu Peter Horton. "Nein, sorry, ich nicht, aber meine Enkel", antwortet Sandie Shaw, die mittlerweile ganz offiziell in Pension ist. Der erste Wiener ESC ist ja auch schon lange her. (Marco Schreuder, 8.4.2017)

Die gesamte Show zum Nachschauen mit ORF-Kommentator Emil Kollpacher.
נתי נתן