Wien – Wer zuletzt schießt, trifft am besten. Diese Wahrheit trifft wiederum auf Free Fire deshalb zu, weil praktisch jeder in diesem Film irgendwann mit einer Schussverletzung durch die Gegend humpelt. Wobei die Zahl der Beteiligten ein gutes Dutzend beträgt. Dass sich die Lagerhalle am Hafen von Boston bereits beim Eintreffen der Gangster und Waffenschieber in recht desolatem Zustand befindet, ist angesichts des Munitionsaufwands und des damit verbundenen Kollateralschadens somit von Vorteil.

Noch sitzen Kleidung und Frisuren perfekt: Armie Hammer, Brie Larson, Cillian Murphy, Sam Riley und Michael Smiley auf dem Weg zur Arbeit.
Foto: Splendid Film

Denn der Deal, der hier nächtens über die Bühne gehen soll, damit in Nordirland weiterhin die Waffen sprechen, entwickelt aufgrund einer unvorhersehbaren Privatfehde eine gewisse Eigendynamik. Aber man kennt das ja: Nicht nur wer Waffen besitzt, greift bei Gelegenheit zu ihnen, auch wer mit ihnen handelt.

Der britische Filmregisseur Ben Wheatley, der sich mit der Horrorkomödie Sightseers einen Namen machte, widmete sich zuletzt mit High-Rise nach J. G. Ballard der fatalen Entwicklung einer isolierten Hochhausgemeinschaft im London der 70er-Jahre. Mit Free Fire bleibt er nun dem Jahrzehnt und seiner neuen Vorliebe für das Kammerspiel treu: Das Chaos findet erst statt, wenn sich alle unter einem Dach befinden.

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Wobei sich der Retrolook diesmal ausschließlich auf Anzüge, Hemden und Rollkragenpullis beschränkt, die bald die eine oder andere Durchlöcherung erleiden, während Frisuren und Bärte zusehends in Unordnung geraten. Wenn Sharlto Copley als südafrikanischer Lieferant, mit entsprechendem Akzent als Österreicher definiert, also ernsthaft um sein feines Tuch besorgt ist, dann macht das tatsächlich Spaß.

Wie auch Cillian Murphy, Brie Larson, Armie Hammer und Sam Riley offensichtlich Freude daran fanden, einander hinter Betonpfeilern, Tonnen und Kisten versteckt Wortgefechte zu liefern und dabei die Gewehre Mündungsfeuer spucken zu lassen. So ungefähr darf man sich wohl Schauspielstars beim Paintball vorstellen.

Wohlfeiler Sarkasmus

Koproduziert von Martin Scorsese und ausreichend ausgestattet mit Anleihen bei Quentin Tarantinos Reservoir Dogs, funktioniert Free Fire allerdings am besten, wenn die Darstellerriege sich während der Gefechtspausen zwischendurch ein wenig Ruhe gönnt. Dann füllt wohlfeiler Sarkasmus die Stille nach dem Schuss und wird die Absurdität der Lage geschliffen kommentiert.

Für den zeithistorischen Hintergrund interessiert sich Wheatley ebenso wenig wie für die Psychologie seiner Figuren, was hier aber weder notwendig noch wünschenswert ist. Dafür dröhnt John Denvers You Fill Up My Senses aus dem Kassettendeck des Lieferwagens, der im Schritttempo fröhlich seine Runden durch die Halle dreht.

Dass sich, obwohl manch Totgeglaubter wieder aufersteht, doch irgendwann die Reihen lichten, ist irgendwie schade. Aber einer muss schließlich immer der Letzte sein. Und den beißen dann die Hunde. (Michael Pekler, 7.4.2017)