Christian Buchmann.

FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU

Die jüngsten Wortmeldungen heimischer Spitzenpolitiker rund um die Aberkennung des Doktorgrades von Landesrat Christian Buchmann (ÖVP) haben zu so manchem kritischem Kommentar geführt. So hat Walter Müller im STANDARD klar aufgezeigt, dass das Verständnis von Wissenschaft und wissenschaftlicher Integrität, wie es beim neuen alten Grazer Bürgermeister, Siegfried Nagl, und seinem Parteikollegen und Landeshauptmann, Hermann Schützenhöfer, vorzuherrschen scheint, schlichtweg blamabel ist. Aber egal ob in der Landes- oder Stadtregierung, man scheint sich prinzipiell darüber einig zu sein, dass Schummeln bei einer Abschlussarbeit nicht so schlimm ist.

Das Herunterspielen von wissenschaftlichen Fehltritten ist in der Steiermark aber keineswegs ein Spezifikum der ÖVP. Obwohl offenbar mittlerweile schon weitestgehend vergessen, hatte sich der Landeshauptmann-Stellvertreter, Michael Schickhofer, eigentlich zumindest historisch dem politischen Gegner zuzuordnen, bereits im November zum selben Fall mit einer ähnlichen bedenklichen Meinung zu Wort gemeldet. Das Credo: Alles nicht so schlimm, das macht doch jeder. Schickhofer zierte sich auch nicht sogar die Bibel zu bemühen und gab ein Jesus-Zitat zum Besten: "Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein." Die steirische "Reformpartnerschaft" scheint somit eine neue Dimension erreicht zu haben.

Geringschätzung der Wissenschaft

Nun ist es völlig richtig, dass das Schummeln bei einer akademischen Abschlussarbeit keineswegs dazu führt, dass man sich fachlich für seinen Beruf disqualifiziert, unabhängig davon, ob die Abschlussarbeit überhaupt im Zusammenhang mit der später ausgeübten (politischen) Funktion steht. Man kann oder weiß nicht mehr oder weniger, nur weil man jetzt einen gültigen Sponsions- oder Promotionsbescheid in einer Aktenmappe zu Hause liegen hat oder eben nicht.

Worum es aber bei einer solchen Debatte geht, ist die Signalwirkung, die das Vorgehen der politischen Machthaber in der Steiermark auf allen Ebenen hat. Diese sagen unisono: Ob man beim Studium geschummelt hat oder nicht, ist prinzipiell irrelevant, der Abschluss ist ja, wenn überhaupt, nur eine formale Qualifikation. Das ist natürlich faktisch korrekt, verkennt aber klar die Rolle, die Wissenschaft und Universität sowie ein Studium an einer ebensolchen im politischen und gesellschaftlichen Leben spielen beziehungsweise spielen sollten. Bezeichnenderweise kommt in der Haltung der steirischen Spitzenpolitiker nämlich vor allem die Geringschätzung der Wissenschaft klar zum Ausdruck.

Alles nicht so schlimm?

Natürlich geht es bei dieser Diskussion nicht darum, niemals bei einer Prüfung geschummelt zu haben, egal wie lange dies her sein mag oder wo genau es passiert ist. Das hat wohl tatsächlich jeder schon einmal irgendwann getan. Doch das scheint vielmehr der Art und Weise geschuldet, wie der Erwerb von Wissen institutionalisiert überprüft wird – eine gänzlich andere Debatte. Es sei jedoch angemerkt, dass es ein weiter Schritt ist vom Abschreiben einer Antwort vom Sitznachbarn bei einem der sich mittlerweile leider häufenden Multiple-Choice-Tests während der Schulzeit oder des Studiums bis zum Einreichen einer plagiierten Abschlussarbeit, die die eigene wissenschaftliche Leistung dokumentieren soll. Ein Promotionsstudium besteht sogar fast ausschließlich aus dem Erbringen und Nachweisen dieser Leistung.

Wenn sich die führenden Politiker des Landes jetzt geschlossen hinstellen und sagen, dass das alles nicht so schlimm ist, dann sagen sie damit, wenn auch durch die Blume, etwas ganz anderes: Ist ja nur Wissenschaft, also nichts wirklich Wichtiges. Es darf infrage gestellt werden, ob dies in einer Welt, die sich zusehends in Richtung der sogenannten Wissensgesellschaft entwickelt, eine wünschenswerte Botschaft ist.

Fatales Signal

Der einzig positive Aspekt, der diesen jüngsten Vorgängen abzugewinnen ist, ist der Umstand, dass alle Wortmeldungen und Stellungnahmen auf Deutsch stattgefunden haben. Von einem Schaden für den international bereits durchaus bescheidenen Ruf der steirischen Universitäten – mangels Budget und nicht mangels guter Wissenschafter – und des Wissenschaftsstandorts Steiermark insgesamt ist also vorerst aufgrund der Sprachbarriere nicht auszugehen. Dass hochrangige Politiker jedoch einen solchen Zugang zur Wissenschaft hegen, ist dem Land als Forschungsstandort sicherlich dennoch nicht dienlich und sendet gleichzeitig auch noch ein fatales Signal an die Bevölkerung, die der Wissenschaft ohnehin bereits in weiten Teilen skeptisch und desinteressiert gegenübersteht: "Geht eh um nix." (Patrick C. Trettenbrein, 6.4.2017)