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Syriens Präsident Bashar al-Assad bei einem Interview mit der kroatischen Tageszeitung "Večernji list".

Foto: reuters/sana

Zur Gewissheit mancher Politiker und Aktivisten, dass das Assad-Regime Urheber der Giftgasangriffe in Khan Sheikhun am Dienstag sei, gesellten sich in den Tagen danach die üblichen anderen Theorien: und nicht nur wegen des (vielkritisierten) Artikels von Seymour Hersh aus dem Jahr 2014, in dem er die Türkei der Urheberschaft für den Sarinangriff östlich von Damaskus im August 2013 zieh.

Der Vorteil einer solchen Tat für das syrische Regime ist wirklich nicht leicht nachzuvollziehen. Aber die Frage, wem was nützt, führt bekanntlich nicht immer zum Täter. Abgesehen davon, dass die Kausalkette Paradoxien aufweisen kann: Auch wenn Israels Verteidigungsminister Avigor Lieberman sich als "hundert Prozent sicher" bezeichnete, dass Bashar al-Assad den Gasangriff persönlich angeordnet hat. Aber vielleicht weiß Lieberman es ja wirklich – wenn, dann wird er nicht deklarieren, woher. Laut dem israelischen Kolumnisten Ben Caspit waren die israelischen Geheimdienste eigentlich der Meinung, das Assad-Regime habe keine Chemiewaffen mehr.

Als der politische Verlierer stand jedenfalls erst einmal Russland da. Vom "Garanten" eines Prozesses, der zuerst zu einem Waffenstillstand und später zu einer politischen Lösung in Syrien führen sollte, ist in wenigen Stunden wieder nur der Verbündete eines Kriegsverbrechers, Assad, geworden. Der Astana-Prozess, in dem die Waffenruhe verhandelt wurde, ist wahrscheinlich tot. Und wenn Russland im Uno-Sicherheitsrat ein Veto einsetzen muss, um eine Syrien-Resolution zu verhindern, dann bekräftigt es seine politische Isolation.

Manche meinen, Assad könnte mit dem Angriff den Beginn der Offensive auf die Provinz Idlib, wo sich die Rebellen konzentrieren, eröffnet haben. In einem – schon vor dem Angriff geführten – Interview mit der kroatischen Zeitung "Večernji list" erteilte er jedenfalls einer diplomatischen Lösung de facto eine Absage und erklärte, die einzige Option sei ein Sieg.

Scharfe Wende

Ist Assad der Täter, dann hat er die Wirkung der schrecklichen Bilder aus Khan Sheikhun auf Donald Trump unterschätzt. Seine Gleichgültigkeit gegenüber Assad – dem er zugute hielt, ebenfalls gegen den "Islamischen Staat" (IS) zu kämpfen – ist vorbei. Nicht nur eine "rote Linie" hat Assad für den US-Präsidenten überschritten, sondern gleich mehrere.

Was das für praktische Konsequenzen haben wird, wollte Trump am Mittwoch nicht sagen. Mit gutem Grund, die US-Optionen sind nicht sehr groß. Sanktionen gibt es schon, und die Rebellen wurden von den USA auch schon jahrelang unterstützt: eine Politik Barack Obamas, die Trump immer kritisiert hat. Bleibt also die militärische Aktion, die die Opposition ja schon immer verlangt.

Obamas Verzicht auf einen Militärschlag im Sommer 2013 – zugunsten einer Abrüstung der syrischen C-Waffen durch die OPCW (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons) – hatte sehr rationale Gründe: Er wusste, dass er mit Militärschlägen Assad nicht chemisch entwaffnen kann – sondern es im Gegenteil wahrscheinlicher wird, dass Chemiewaffen auch in Terroristenhände geraten. Das Gros dieser C-Waffen ist heute auf alle Fälle nicht mehr da. Wenn die US-Geheimdienste wüssten, ob und wo Assad noch welche hat, wäre anzunehmen, dass sie diese Informationen der OPCW hätten zukommen lassen.

Konfrontation mit Russland

Die von Trump bereits angedachte Sicherheitszone im Norden zu errichten wäre eine große Operation, eine massive Intervention der USA im syrischen Bürgerkrieg. Auch dies stand eigentlich nicht auf Trumps Agenda. Aber sonst kommt wohl nur ein sehr begrenzter punitiver Schlag infrage – wie sie Israel immer wieder folgenlos in Syrien ausführt.

Alles darüber hinaus könnte zu einer direkten Konfrontation mit Russland führen, und auch wenn Wladimir Putin nicht mehr Trumps bester Freund ist, will das wohl niemand. Ein totales US-russisches Zerwürfnis in Syrien hätte vor allem Auswirkungen auf den laufenden Kampf gegen den IS. Die Offensive auf die IS-"Hauptstadt" Raqqa, bei der alle externen Akteure in Syrien vereint sind, ist nur mit einem Konsens möglich.

In Manbij, wo vor kurzem die Türkei ihre Mission beendet hat, sind amerikanische und russische Truppen in Sichtweite voneinander platziert. Sie stehen sich nicht feindlich gegenüber, sie kooperieren nicht, sie "koordinieren" sich. Aber das könnte sich sehr schnell ändern. (Gudrun Harrer, 6.4.2017)