Graz – Der Staatsanwalt verschärft die Gangart. Natürlich wird er es schon länger geplant haben, aber dieses ständige Lächeln des Angeklagten, als der Videofilm abläuft, auf dem zwei seiner Freunde beim Ringen zu sehen sind, und dies demonstrativ in T-Shirts mit IS-Symbolen, mag wohl den Beschluss des Staatsanwaltes beschleunigt haben.

Er weitet die Anklage gegen Emrullah K. aus. Der Angeklagte wird jetzt im Grazer "Jihadistenprozess" nicht nur beschuldigt, mit seiner Reise nach Syrien geplant zu haben, sich der Terrormiliz IS anzuschließen, sondern auch Freunde für den IS angeworben zu haben.

Der Angeklagte gibt an, nach Syrien gefahren zu sein, nicht um zu kämpfen, sondern um sich wegen einer möglichen Ansiedelung für sich, seine Frau und die drei Kinder umgeschaut zu haben – "für die Zeit nach dem Bürgerkrieg".

Emrullah K. ist auch am dritten Verhandlungstag irgendwie vergnügt, lächelt viel, ist aufgeräumt – so, als gehe ihn das alles nicht wirklich etwas an, als werde ihm da ganz Absurdes vorgeworfen.

Mirsad O. via Videokonferenz

Der Staatsanwalt beginnt an diesem Donnerstag aber das Netz immer dichter zu flechten. Er analysiert mit Zeugenaussagen das radikale Umfeld des Angeklagten und holt dazu auch den zu zwanzig Jahren Haft erstinstanzlich verurteilten "Popstar" unter den Islamisten, Mirsad O. alias Ebu Tejma, via Videokonferenz in den Grazer Schwurgerichtsaal.

Mirsad O. ist mittlerweile kahlgeschoren, der lange Bart blieb aber ausgespart. Er sitzt mürrisch im Gefängnisvideoraum, will zu Fragen bisweilen keine Antwort mehr geben oder antwortet nur knapp. Ja, er kenne den Angeklagten, und ja, er habe gehört, dass dieser nach Syrien gefahren sei.

Und nicht nur er. Etliche andere junge Muslime hatten seine Predigten besucht und sich nach Syrien aufgemacht. Drei Jahre lang hatte der Salafistenprediger in Wien auch an einer öffentlichen Schule unterrichtet.

Sohn aus Sorge angezeigt

Schließlich kommt ein gebrochen wirkender Mann mittleren Alters im abgetragenen Jeansanzug in den Zeugenstand. Er hatte seinen Sohn aus Sorge beim Verfassungsschutz angezeigt, weil dieser mit Emrullah K. und anderen jungen Islamisten nach Syrien gefahren sei.

Sein Sohn sei durch die Besuche jener Moscheen, in denen auch Mirsad O. gepredigt hatte, immer radikaler geworden. Letztlich habe sich die Familie, erzählt er vor Gericht, von ihm getrennt, weil er nach Ansicht seines Sohnes "zu wenig gläubig" gewesen sei. Der Sohn habe verlangt, dass er die strenggläubige Familie verlasse.

Der Prozess wurde am Donnerstag vertagt, da sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Emrullah K.s Verteidigung neue Zeugen hören wollen. (Walter Müller, 6.4.2017)