Seit kurzem stehen viele alte Wachtürme auf Mallorca unter Denkmalschutz, einige können besichtigt werden. Die Türme selbst sind unscheinbar, bieten aber wie hier am Cap de Formentor tolle Ausblicke.

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Einer der zahlreichen Wachtürme an Mallorcas Küste: der Torre de Ses Ànimes en Banyalbufar

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Meerblick treibt die Preise in die Höhe, egal ob für eine Ferienwohnung oder ein Hotelzimmer. Auf Mallorca galt jahrhundertelang genau das Gegenteil: Am Meer wollte niemand wohnen, es war zu gefährlich. Die Insulaner lebten in ständiger Angst vor den Piraten. Vor allem zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert trieben türkische und nordafrikanische Korsaren ihr Unwesen: Immer wieder kamen Schiffe, um Geld und Güter zu stehlen, um Menschen zu töten oder zu versklaven. Eine schreckliche Vorstellung.

Die Geschichte der Gräuel und Gefahren erzählen bis heute die Wachtürme, Talaies oder Torres auf Mallorquinisch. Es gibt noch etwa 50 davon. Besuchern bieten sie den besten Meerblick: Sie stehen an Stellen, wo der Wind am wildesten saust, wo die Küste besonders steil abfällt oder wohin man nicht so einfach gelangt, zum Beispiel auf die vorgelagerte Insel Dragonera mit dem Torre de Llebeig (1585), bei Banyalbufar an der Steilküste zum Torre de ses Ànimes oder Torre des Verger (1579), auf die felsige Halbinsel Formentor im Norden zum Talaia d'Albercutx (1597), nach Porto Cristo im Osten zum Torre del Serral dels Falcons (1577) oder nach Cala Figuera an der Südküste zum Torre d'en Beu (1569).

Das Alte und das Eigene

Jetzt bekommen die robusten, steinernen Türme wieder mehr Aufmerksamkeit. 24 setzten Anfang des Jahres zum ersten Mal wieder Signale, im Zuge einer generellen Rückbesinnung der Mallorquiner auf das Alte und Eigene. Freiwillige hielten sich auf den Türmen bereit, standen miteinander in Sichtkontakt und entzündeten zu Mittag Rauchfackeln und abends Bengalfeuer. Es war hübsch anzusehen, wie allenthalben orangefarbene Rauchsäulen in den blauen Himmel stiegen oder kleine rote Lichter in der Nacht aufleuchteten.

Die Veranstalter, der Verband der Mathematiklehrer, wollten ein Zeichen der Menschlichkeit und Gastfreundlichkeit übers Mittelmeer senden, einen Willkommensgruß an alle Flüchtlinge. Doch das Signal galt auch den Mallorquinern. "Wir wollten ebenso auf den teils schlechten Zustand der Türme aufmerksam machen", sagt der Mathematiklehrer Pep Lluís Pol. "Sie müssen erhalten bleiben, denn sie sind Teil unseres historischen, landschaftlichen und emotionalen Erbes.

Der Inselrat hat das verstanden. Er stellt dieses Jahr alle Türme unter Denkmalschutz und beginnt mit einem umfassenden Restaurierungsprogramm. Die Regierung Mallorcas bietet Gemeinden und Privatleuten Geld und technische Unterstützung, um nach und nach die Türme entlang der Küste zu restaurieren. Einige stehen auf Privatgrund und sind nicht frei zugänglich. Auch das soll sich ändern. Den Denkmalschutz-Status mit entsprechenden Steuervorteilen für die Grundbesitzer und die Subvention zur Restaurierung gibt es nur, wenn der Zugang ermöglicht wird.

Türme in Rufweite

Das finden Mallorcas Turmliebhaber natürlich gut. Ihnen geht es auch um eine Figur, die ebenfalls vor dem Vergessen gerettet werden soll: den Universalgelehrten Joan Binimelis (1538-1616). Auf ihn geht der Bau der meisten Wachtürme zurück. Er hat die brutalen Piratenüberfälle von 1542 (Sóller), 1545 (Valldemossa), 1550 (Pollença) und 1558 (Andratx) erlebt. Deshalb ließ er runde Türme bauen, alle nach demselben Schema: etwa zehn Meter hoch, mit Wendeltreppe im Inneren und großer Aussichtsplattform auf dem Flachdach. Dazu erstellte er eine Karte der Küste und berechnete die Distanzen, in denen die Türme zueinander stehen mussten, damit die Wächter Sichtkontakt hatten. Es galt, die Information "Mauren vor der Küste!" möglichst schnell zum AlmudainaPalast in Palma weiterzugeben: Dort lebte der König oder sein Statthalter, dort war Mallorcas Macht- und Schaltzentrale.

Besonders dramatisch waren die Ereignisse auf dem Wachturm Castell de Cabrera. Er steht auf dem unbewohnten, trockenen Archipel Cabrera vor der Südküste. Allein im 16. Jahrhundert wurde er mindestens zehnmal zerstört und wieder aufgebaut. Wer hier Wache hielt, war den Angreifern ausgeliefert, denn Rückzugsmöglichkeiten gab es kaum. Deshalb war der Wächterposten auf Cabrera auch der bestbezahlte. Viele ließen hier ihr Leben oder wurden verschleppt, zum Beispiel vom legendären türkischen Korsaren Dragut. Der kam 1550 mit 1.500 Mann nach Cabrera. Waffen und Kanonen nahm er mit, den Rest machte er dem Erdboden gleich. (Brigitte Kramer, 8.4.2017)