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Bob Dylan singt auf "Triplicate" Kuchlradiosongs seiner Kindheit.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/KEVIN WINTE

Wien – Früher einmal, und es wird jetzt ein wenig persönlich, galt eine Regel: Wer sich jenseits von US-amerikanischen Mafiafilmen freiwillig Frank Sinatra, das Rat Pack und deren öliges Silberrückengeschmiere anhört (ein Mann hat immer noch einen Anwert, auch wenn er betrunken mit dem Gesicht nach unten in einer Regenlache auf dem Gelände der Landwirtschaftsmesse Wels liegt), aus dem wird nach dem Studium einmal etwas. Es wird aber etwas aus ihm, das wir anderen sicher nicht werden wollen.

Auch wenn dieser akustische Horror anders gemeint gewesen sein mag: Sinatramusik sagt, dass sie mit den Zuständen einverstanden ist. Wenn es passt, passt es. Wenn es nicht passt, passt es halt nicht. Man kann eh nichts dagegen machen, außer vielleicht Angebote, die niemand ablehnen kann. Im Zweifel ist alles Scheiße. Viva Las Vegas. Damals stand Bob Dylan allerdings auch noch gleichwertig neben Johnny Rotten für einen diesem chauvinistischen Troglodytentum entschieden entgegengesetzten Widerstand. Kann nicht singen, kann nicht spielen. Mittelfingerstrecken und Spucken gehen aber gut.

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Mit 75 Jahren und einem Literaturnobelpreis als Schreibblockade im Gepäck hat sich Bob Dylan auf seinem aktuellen, sich über geschlagene eineinhalb Stunden ziehenden Coverversionenalbum Triplicate nach Shadows in the Night (2015) und Fallen Angels (2016) schon wieder daran erinnert, dass in seiner Kindheit im Kuchlradio ja nicht nur Rock 'n' Roll lief, sondern auch die Musik der Urgroßväter.

Frank Sinatra, George Gershwin, Rodgers & Hammerstein oder Irving Berlin schlunzen, triefen und ziehen sich, von seiner Tourband entsprechend lebensmüde interpretiert, bei niedriger Garstufe wie Analogkäse vom Lautsprecher in Richtung Ohr. Die alte Weisheit von "It's the singer not the song" verliert selbst in der Umkehrung jedwede Bedeutung. Sentimental Journey, Stormy Weather, These Foolish Things oder As Time Goes By, allesamt aus dem Handbuch für Studenten auf den Jazzakademien unseres Missvergnügens entnommen, erfahren hier eine lustlos krächzende Bearbeitung Dylans, die von seiner militanten Jüngerschaft sicher sehr fundiert und in Richtung Liebe ohne Leiden gedeutet werden mag.

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Allerdings sind die Möglichkeiten der Häresie in Dylans eigenen Liedern von jeher angelegt gewesen. Selbst wenn Bob Dylan früher zwischendurch richtig schlecht gewesen sein mag (seine christlichen Alben Slow Train Coming oder Saved und ihr faszinierender Schrecken!), dann war Dylan immer noch richtig toll. Dieser Mann stellt sich schließlich immer schon vor uns hin, damit wir eben auch speziell gegen ihn sein können. Don't follow the leaders. Das bedeutet wahre Meisterschaft. Vielleicht probiert er es ja heute mit Triplicate auch noch. Vielleicht ist das aber mittlerweile einfach egal. The Best is yet to Come? Eher nicht.(Christian Schachinger, 7.4.2017)