Father John Misty, bedeutungsvoll dreinschauend. Wortreich, aber schlapp macht er sich Sorgen um die Welt. Wie originell.


Foto: Pias

Wien – Ob er uns alle rettet, darüber ist man sich noch uneins. Aber den Protestsong, meine Herren, den schultert er und führt ihn in neue alte Höhen. Das mag glauben, wer will. Gläubige bestärkt der messianische Name Father John Misty. Der hat ein neues Album veröffentlicht. Es heißt Pure Comedy und ist ein Konzeptalbum. Eineinviertel Stunden lang Protest vom Feinsten. Vorausgesetzt man ist ein weißer, junger Mann, also qua natürlicher Voraussetzung schon butterseitenaffin aufgewachsen und kann es sich leisten, an einem nie versiegenden Caffè-Latte-Brunnen die Widrigkeiten des Daseins in Kunstleid und Kunstlied zu übersetzen.

Father John Misty

Father John Misty heißt eigentlich Joshua Tillman. Er ist 35 und schablonencool. Er sieht aus, wie dem Paninialbum für Hipster entnommen, der Typ auf Seite 35, dritte Reihe, ganz links. Wobei er sich den Vollbart auf einen Olli hat zurückstutzen lassen. Es ist ja schon unerträglich geworden, wer heute aller Vollbart trägt, da muss man mit den dünnen Armen gegen den Strom schwimmen, nicht?

Natürlich nur bildhaft, denn Sport ist Mord, das ist klar, und nur im Zustand der Trägheit lässt sich die Welt so herrlich unscharf sezieren. Diese Trägheit überführt Tillman ins Balladenfach. Pure Comedy wirkt dementsprechend schlafwandlerisch, weniger wohlwollend könnte man es sedierend nennen: Streicher, Klavier, Balladen ohne Ende, eine, Leaving LA, dauert gar 13 Minuten. Das gibt Father John Zeit, um wortreich den Zustand der Welt zu besprechen. Voller Anspielungen und ironischer Brechungen, geistreich formuliert, haha köstlich.

Saturday Night Live

Die Ergebnisse klingen mitunter, als würde Rufus Wainwright nach einer durchgesauten Nacht sonnenbebrillt nach Hause schlurfen, um den wunden Körper endlich zur Ruhe zu betten.

Soft- und Saftrock

Von der umstürzlerischen Dringlichkeit eines Protestsongs spürt man allerdings nichts. Gut, ob Randy Newman je Barrikaden erklommen hat, um mit der gestreckten Faust weiß Gott wem zu drohen, ist ja auch nicht überliefert. Und in die Tradition eines Newman wird Father John Misty gestellt. Wobei er, um sich dieses Vergleichs würdig zu erweisen, erst einmal ein paar Song schreiben müsste, an die man sich erinnern kann. Die zerdehnten Etüden auf Pure Comedy erfüllen das nicht, klingen oft nach Neil Diamond ohne Popappeal. Soft- und Saftrock gegen das System, dieser Stil muss sich erst durchsetzen.

Tillman kommt aus Washington D.C. Papa war irgendwas mit Computern, der Sohnemann entdeckte in sich früh eine Neigung zur Spiritualität, was immer das genau heißen soll. Es folgten Epiphanien mit Bob Dylan und ein Umzug nach Seattle, wo er in den Nullerjahren musikalisch Tritt fasste, acht Soloalben veröffentlichte und bei den Neo-Folkies Fleet Foxes Schlagzeug spielte. Seit 2012 missioniert er seine Blase als Father John Misty.

The Late Show with Stephen Colbert

Protest ist in Donald Trumps USA gerade hip. Trump darf sich schon einmal warm anziehen wegen John Misty. Noch einmal irgendwo herumbomben, dann wird er ihn sich vorknöpfen. Oder doch nicht?

Was leider übersehen wird, Popmusik verfügt weder über das Mandat, die Welt zu verändern, noch die Macht. Nicht mehr. Extreme Diversität und die globale Einzelerregung online hat gebündelten Protestbewegungen weitgehend den Garaus gemacht. Leider. Kein popeliges Album kann eine Änderung der Welt herbeiführen. Nicht einmal Tillman wird das glauben, doch die Deutung seiner Kunst stellt das in Aussicht, und das ist Unsinn.

Sub Pop

Man kann Pure Comedy dennoch genießen, den ausufernden Kammerpop wegen einiger hübscher Passagen wohlwollend empfangen, sich dabei in Müßiggang üben. Doch gibt es in diesem Fach überzeugendere Arbeiten als diese doch recht längliche Übung, die sich allerorts Vergleiche mit Elton John einfängt. Ja, mit dem bekannten britischen Revolutionär. Das ist vollkommen unironisch gemeint. Denn im Vergleich zu Father John Misty erscheint Sir Reginald Kenneth Dwight tatsächlich als Umstürzler. Aber was sagt uns das? Eben. (Karl Fluch, 11.4.2017)