Der Anstieg der EZA-Gelder kommt den Notleidenden vor Ort nicht zugute.

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Wien/Paris – Die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) haben 2016 einen Höchststand erreicht. Das ist aber vor allem auf die weiter gestiegenen Kosten für Flüchtlingsbetreuung, höhere Beiträge für internationale Organisationen und humanitäre Hilfe zurückzuführen, wie die OECD am Dienstag mitteilte. Österreichs Anteil der EZA am Bruttonationaleinkommen (BNE) betrug 0,41 Prozent, das ist der höchste Wert seit 2008.

Auf den ersten Blick klingt der Anstieg von 18,3 Prozent im Vergleich zu 2015 nach einer guten Nachricht. Doch das Geld floss nicht ins Ausland. Zum Großteil ist der Anstieg den Ausgaben für Flüchtlingshilfe im Inland zu verdanken – laut Kriterien der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) dürfen Mitgliedsstaaten diese für maximal ein Jahr in die öffentliche Entwicklungshilfestatistik (Official Development Assistance, ODA), miteinrechnen.

Mehr als ein Drittel

2016 entfielen mehr als ein Drittel (37,7 Prozent) der gesamten ODA-Mittel auf Flüchtlingsbetreuung in Österreich. Im OECD-Durchschnitt lag dieser Anteil bei nur elf Prozent. Ähnlich hohe Flüchtlingsausgaben reklamierten nur Italien (34,4 Prozent), Deutschland (25,2) und Griechenland (22,3 Prozent). Insgesamt hat sich der Teil "Flüchtlingsaufwendungen" im OECD-Durchschnitt seit 2013 versechsfacht.

Die Beiträge zu internationalen Organisationen nahmen um fast zehn Prozent, die Ausgaben für humanitäre Hilfe um rund acht Prozent zu. Die Mittel für bilaterale, gestaltbare Hilfe sind seit 2010 weitgehend gleichbleibend. 2016 konnte hier mit drei Prozent ein leichter Anstieg verzeichnet werden, bei den Gesamtmitteln für die am wenigsten entwickelten Länder (least developed countries, LLDC) wurde aber ein Rückgang der Mittel von fast vier Prozent verzeichnet.

Insgesamt stellten die Geberländer im Entwicklungsausschuss (Development Assistance Committee, DAC) der OECD 143,3 Milliarden US-Dollar (135,47 Mrd. Euro) zur Verfügung, das ist ein Plus von 8,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr und soviel wie nie zuvor. Der Anteil am BNE liegt allerdings im Durchschnitt nur bei 0,32 Prozent, also nach wie vor weit entfernt vom 0,7-Prozent-Ziel der Vereinten Nationen. Dieses erreichten nur sechs Länder: Norwegen (1,1 Prozent), Luxemburg (1), Schweden (0,94), Dänemark (0,75), Großbritannien (0,7) – und erstmals Deutschland (0,7).

Auch wenn die Kosten für Flüchtlingsbetreuung im Inland abgezogen werden, sind die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen gestiegen – und zwar um rund sieben Prozent, so die OECD. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich darüber erfreut. Die Statistik würde aber auch zeigen, dass "noch immer zu viel Geld für Flüchtlingsbetreuung in Österreich" aufgewendet wird, anstatt das Geld für Hilfe vor Ort zu verwenden. Die Versorgung von Flüchtlingen in den betroffenen Regionen sei um ein Vielfaches günstiger. Hier brauche es eine "Trendumkehr", so Kurz in einer der APA übermittelten Aussendung.

"Schwammig"

Wie die OECD in einem Webinar für Journalisten mitteilte, werden die Kriterien für die ODA-Statistiken derzeit überprüft. Sie seien "ein wenig schwammig und offen für Interpretationen", hieß es in Anspielung auf die miteingerechneten Kosten für Flüchtlinge.

Einige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) werten das Einrechnen der Flüchtlingsgelder in die EZA-Ausgaben kritisch. Von Österreichs Anstieg der EZA-Quote hätten die an Hunger leidenden Menschen in den ärmsten Ländern "rein gar nichts", so der Tenor am Dienstag.

Kritik der NGOs

Das Rote Kreuz kritisierte die "Kreativität bei der Anrechenbarkeit", Licht für die Welt zeigte sich enttäuscht über die "kurzsichtige Politik" der Bundesregierung. Die für Flüchtlingsbetreuung in Österreich eingerechneten Gelder seien zehnmal so hoch wie die direkt durch Österreich finanzierten Projekte in afrikanischen Partnerländern. "Leider wurden keine zusätzlichen Mittel für die Hilfe in Afrika vorgesehen und in den letzten Jahren wurden die Mittel für Afrika von 40 auf 30 Millionen gekürzt", erklärte die Licht für die Welt-Geschäftsführerin Johanna Mang via Aussendung.

Die Anstieg der Flüchtlingskosten in der Statistik der OECD (Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit) helfe den "verhungernden Menschen in Ostafrika leider nicht", betonte auch Annelies Vilim, Geschäftsführerin des Dachverbandes AG Globale Verantwortung. Diese "Budgetkosmetik" trage nichts zur unmittelbaren, projektbezogenen Entwicklungszusammenarbeit bei.

Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes, stieß ins gleiche Horn: "Von Kreativität bei der Anrechenbarkeit haben von Armut betroffene Menschen in unseren Partnerländern rein gar nichts." Österreich sei zu einem guten Teil "Empfängerland seiner eigenen Entwicklungsgelder".

Die Hilfsorganisation Care forderte deshalb mehr EZA-Mittel, "die vor Ort Hunger und Armut bekämpft und Hilfe leistet", so Geschäftsführerin Andrea Barschdorf-Hager mit Blick auf die Hungerkrise in Ostafrika und im Jemen.

Die Hilfsorganisationen Jugend Eine Welt erklärte, Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) in seinen Vorhaben zu unterstützen, erinnerte aber daran, dass ein konkreter Umsetzungsplan für Nachhaltige Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) noch ausständig sei. Ähnlich World Vision: Präsident Sebastian Corti begrüßte die Entwicklung, mahnte aber die Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels der Vereinten Nationen ein.

Die Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz (KOO) verwies laut Kathpress darauf, dass es für die Zukunft wichtig sei, Entwicklungszusammenarbeit nicht nur unter der Brille der "Flüchtlingskrise" und "Flüchtlingsabwehr" zu sehen. (APA, 11.4.2017)