"Hearing", das Stück des iranischen Theatermachers Amir Reza Koohestani.


Foto: Amir Hossein Shojaei

Hall in Tirol – Bevor das Osterfestival Tirol mit einem absolut sehenswerten Tanzabend in der Innsbrucker Dogana seinen Ostersonntags-Abschluss findet, wird am Karsamstag – im Salzlager Hall – eine Theaterperformance von Amir Reza Koohestani geboten: Hearing/Anhörung.

Im Vorjahr gastierte Koohestani bei den Wiener Festwochen mit Die Anpassung über Frauen in Iran. Davor waren – ebenfalls im Rahmen der Festwochen – Where were you on Jan 8th (2010) und Quartet: A Journey to North (2008) im Brut-Theater zu sehen. Hearing wurde 2015 in Teheran uraufgeführt und befindet sich zurzeit auf Europatournee.

Wieder geht es um Frauen, diesmal sind es Bewohnerinnen eines Studentenheims in der persischen Hauptstadt. Und noch ein Thema gibt den Ton an: das Gerücht als analoge Form von Fake News und Shitstorms. Die Studentinnen in dem religiös totalitären System, das Iran seit 38 Jahren in mehr oder weniger festem Griff hat, leben wie in einem Gefängnis. Wer dort vernadert wird, wie die Figur der Neda, gerät in echte Gefahr.

Nun ist das In-die-Welt-Setzen übler Gerüchte bereits außerhalb autoritärer Umgebungen eine probate Methode, Existenzen zu vernichten. In der Überwachungsatmosphäre einer Diktatur allerdings kann sie der verleumdeten Person den Tod bringen. Mit einfachen und wirkungsvollen Mitteln lässt Koohestani Schauspielerinnen den Sog der Denunziation darstellen. Wie etwa bei Abbas Kiarostamis Filmdokumentation Homework (1989) Kinder über die Zustände in ihren Familien sprechen, berichten die Beschuldigte und die Verdächtigenden bei Hearing über ihre Sicht der Dinge. Am Anfang steht eine Einbildung, am Ende ein kafkaesker Untersuchungsausschuss.

Regisseur Amir Reza Koohestani (39) nimmt Zensur und Risiken in Kauf, um seine Arbeit auch in Iran zeigen zu können. Das Teheraner Publikum von Hearing, berichtet er, lache wesentlich mehr als das europäische. Es sei ein Lachen des Wiedererkennens. (Helmut Ploebst, 11.4.2017)