Michel Reimon fordert klare Positionierung der Grünen im Nationalratswahlkampf: "Da darf es von uns kein Wischiwaschi geben."

Foto: Urban

Der Rauswurf der Jungen Grünen sei richtig gewesen, sagt Reimon: "Wir haben einmal großen Schaden sofort akzeptiert, statt über Jahre hinweg Dauerprobleme zu haben."

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STANDARD: Ist Eva Glawischnig tatsächlich die beste Person an der Spitze der Grünen, und ist sie ohne Alternative?

Reimon: Ich sehe für die Nationalratswahl keine Alternative, es gibt intern keine Diskussion.

STANDARD: Ist sie die beste Person, oder gibt es nur keine Alternative?

Reimon: Die beste Person konkret für diesen Nationalratswahlkampf. Bei den anderen Parteien gibt es vier Männer mit einer sehr ähnlichen Gockelhaftigkeit. Ich glaube, dass Eva als Frau mit ihrer sehr ruhigen Art der ideale Kontrapunkt ist.

STANDARD: In den Umfragen schlägt sich das aber nicht nieder.

Reimon: Umfragen sind mir völlig wurscht.

STANDARD: Für kommende Woche wurde der Erweiterte Bundesvorstand einberufen, was soll da passieren?

Reimon: Wir werden noch einmal eine breite Diskussion führen, wie wir uns für die Nationalratswahl aufstellen. Wir haben die Entscheidung zu treffen gehabt, ob wir jetzt einen schweren Schnitt setzen oder über viele Monate Probleme haben. Das hätte in die Nationalratswahlen und in die vier Landtagswahlen hineingespielt. Daher haben wir uns entschieden, jetzt sofort einen Schnitt zu setzen und uns von den Jungen Grünen zu trennen.

STANDARD: Deren Vorstand tritt geschlossen zurück. Hat das Auswirkungen, kann man mit den Jungen Grünen doch weitermachen?

Reimon: Wir wollen mit so vielen Jungen zusammenarbeiten wie möglich. Die Frist für die Förderung ist aber definitiv abgelaufen, das ist nicht unsere Entscheidung, das ist eine gesetzliche Frist.

STANDARD: Nach dem Van-der-Bellen-Wahlkampf gab es die Diskussion über eine Neuausrichtung – mehr in die Mitte und breiter aufstellen oder die sozialpolitischen Positionen nachschärfen. In welche Richtung soll es gehen?

Reimon: Ich bin eindeutig fürs Zweite. Wir werden in diesem Wahlkampf einen Wettlauf erleben, wer am grauslichsten zu Ausländern, zu Mindestsicherungsbeziehern ist. Da darf es von uns kein Wischiwaschi geben, wir müssen ganz klar für eine humanistische Flüchtlingspolitik und eine klare Sozialstaatspolitik eintreten. In dieses Thema müssen wir offensiv reingehen.

STANDARD: Also nicht in die Mitte, sondern nach links.

Reimon: Wenn man genau das Gegenteil von dem macht, was Rot, Schwarz und Blau machen, müsste man eigentlich in der Mitte landen. Es ist erschreckend, wie weit alle nach rechts gerutscht sind. Wenn ich jetzt weit nach links ziehe, bin ich schon froh, wenn ich dort lande, was eigentlich gerade die Mitte ist.

STANDARD: Auf welche Themen sollen die Grünen denn setzten, abseits der Flüchtlingsdebatte?

Reimon: Neben der Sicherheitsdebatte ist das mit Sicherheit die Europadiskussion. Wir erleben sowohl von der SPÖ wie auch von der ÖVP eine Absetzbewegung von gemeinsamen europäischen Lösungen. Da müssen wir uns als klare Europapartei präsentieren. Das nächste wichtige Thema ist aus meiner Sicht Klimawandel, Klimawandel, Klimawandel. Es wird nur etwas weitergehen, wenn darüber geredet wird. Und wenn wir nicht versuchen, das auf die Agenda zu kriegen, wird nichts weitergehen. Das wird schwer werden, weil alle anderen nicht darüber reden wollen, und allein einen Wahlkampf zu bestimmen ist schwierig.

STANDARD: Können Sie mit dem Begriff linker Populismus, den Peter Pilz ins Spiel gebracht hat, etwas anfangen?

Reimon: Ja. Allerdings versteht jeder etwas anderes darunter. Bei unserer ersten Themenumfrage hatte TTIP einen Bekanntheitsgrad gehabt, der kaum messbar war. Populismus würde bedeuten – das versteht keiner, das ist zu kompliziert, davon lassen wir die Finger. Also geht es um Popularisierung, und so verstehe ich auch den Peter. Popularisierung bedeutet, wir haben ein schwieriges Thema, also müssen wir uns draufsetzen und da Vollgas geben. Das haben wir bei TTIP geschafft. Das wäre jetzt beim Klimawandel genau unsere Aufgabe.

STANDARD: Sind die Grünen personell richtig aufgestellt, oder muss es bei der Kandidatenerstellung für die Nationalratswahl zu einer Neuausrichtung kommen?

Reimon: Bei uns werden die Listen nicht zentral gesteuert, es gibt neuen Landeslisten und eine Bundesliste. Der Wunsch, dass sich da etwas tun soll, wäre ohne Bedeutung, weil das die Basis entscheidet und nicht die Parteiführung.

STANDARD: Würden Sie sich eine Veränderung wünschen?

Reimon: Bei mehr als 20 Abgeordneten wird es zwangsläufig eine Veränderung geben, das ergibt sich aus der Listenerstellung durch die Basis.

STANDARD: Im Nationalrat gibt es einen starken grünen Altherrenklub. Braucht es eine Erneuerung?

Reimon: Das sind aber auch Leute mit einer gewissen Qualität, weshalb sie immer wieder gewählt werden. Leute, die schon bekannt sind, haben eben eine höhere Wahlchance als Neulinge.

STANDARD: Ihnen wurde Interesse an einer Kandidatur bei der Nationalratswahl nachgesagt. Werden Sie kandidieren?

Reimon: Nein, von mir wird es keine Kandidatur geben.

STANDARD: Es gab parteiintern das Gerücht, Sie könnten als Gegenkandidat zu Pilz antreten, junger Aufdecker gegen alten Aufdecker.

Reimon: Habe ich auch gehört. Freut mich, wenn wir ein ähnliches Profil haben. Aber ich habe auf EU-Ebene genug zu tun.

STANDARD: Sie waren auch als möglicher Nachfolger von Glawischnig im Gespräch. Ist das eine Option?

Reimon: Auch hier: keinerlei Interesse von meiner Seite.

STANDARD: Im Konflikt mit den Jungen Grünen sind Sie als Scharfmacher aufgetreten. Ihre Bezeichnung des Führungszirkels als "Grazer Zelle" hat parteiintern für heftige Kritik gesorgt.

Reimon: Ich hätte sicher weicher formulieren können. Ich war wahnsinnig wütend über einige unfaire Vorfälle. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch eine Lösung erhofft.

STANDARD: Sie haben aber eher Öl ins Feuer gegossen.

Reimon: Ja, stimmt. Ich bin selbst überrascht, welches Gewicht ein Facebook-Posting von mir haben kann. Gut, da habe ich jetzt auch etwas gelernt. Aber grundsätzlich war das eine rote Linie. Wir können nicht anders agieren. Wenn wir unsere Studierenden-Organisation schützen wollen, würde ich nichts anders machen. Wir haben einmal großen Schaden sofort akzeptiert, statt über Jahre hinweg Dauerprobleme zu haben. Das müssen wir jetzt aushalten. Ich hoffe, dass wir im September oder Oktober eine Lösung zur Weiterarbeit präsentieren und konstruktiv weiterarbeiten können. (Michael Völker, 11.4.2017)