Wo der Himmel voller Kisten hängt: die Weinbar Heunisch & Erben in Wien-Landstraße.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Coq au Vin blanc vom sechsmonatigen Gockel ist gut investiertes Geld.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Vorweg ein Hinweis zu den unten vermerkten Küchenzeiten: Zu Redaktionsschluss musste – noch – um 20.30 Uhr zugesperrt werden, weil die neue Betriebsanlagengenehmigung den Weg durchs Magistrat nicht ganz geschafft hatte. Die Betreiber hoffen, sie bis zum Erscheinen in Händen zu halten und die regulären Zeiten bereits gelten lassen zu können – im Zweifel also anrufen.

So oder so steht das Heunisch & Erben (nach einer europäischen Ur-Rebe benannt) als eindrucksvolles Statement dafür, wie massiv das Interesse für hoch individuelle Weine mittlerweile ist. Über 60 offene Flaschen aus großteils winzigen, oft auch nicht-österreichischen Weingütern mit Akribie und Herzblut zusammengesucht: Bis vor wenigen Jahren hätte es das, wenn überhaupt, nur irgendwo versteckt in einer mittelprächtigen Tschumsen geben können.

Riesige Weinbar

Jetzt wollen Robert Brandhofer vom Margaretner Pub Klemo und die Sommeliers Markus Gould und Petr Hlinák zeigen, dass ihre Leidenschaft längst von der Mitte der Gesellschaft geteilt wird. Oder zumindest von Wien-Mitte: Kaum 100 Meter von der U-Bahn-Station haben sie eine riesige Weinbar eröffnet, in der das Achtel 3,40 Euro, aber auch 16,40 Euro kosten darf. Natürlich sind da feine Burgunder, Bordeaux und edelste Rieslinge darunter, ebenso natürlich wirbelt aber auch viel Naturtrübes und sonst wie auf der Maische Vergorenes, Neo-Naturales im Glas.

Dank neuer Schanktechnologie (konkret eine fast selbst gebastelte Weiterentwicklung der Coravin-Technik) können dort ohne Mehrkosten auch Flaschen geöffnet werden, von denen in der Woche vielleicht nur ein Glas verkauft wird, ohne dass der kostbare Rest deshalb oxidierte.

Die Karte gibt sich "deadpan" wie nur, eine schlichte Auflistung der Winzer, Lagen, Jahrgänge und Preise. Eh wahr: Weinbeschreibungen sind öd. Bei einer derart speziellen Auswahl wäre dann aber proaktive Kommunikation wichtig – wenn die Mannschaft jedoch, wie in den ersten Tagen des Heunisch, vor lauter Servieren, Kaffeemachen und Aufschnittplatten-Herrichten (herausragend!) kaum dazukommt, sich dem Gästegewirr zu widmen, dann dauert es eben, bis das Glas endlich nass ist. Und im Zweifel mit irgendwas von der günstigeren Sorte.

Die ham Eier

Das wäre zwar ein wenig schade, kann einem die Freude an dem, was Peter Zinter (einst drei Hauben und Michelin-Stern) und sein Kumpane Michael Gubik (war die vergangenen fünf Jahre im Steirereck) aus der Küche schicken, aber keineswegs vermiesen. Im Gegenteil: Das unfassbar cremige, zart nussig nach Artischocke schmeckende Stundenei aus der mythischen Zucht von Paolo Parisi in der Toskana etwa ist den Preis (exorbitante 12,50 Euro) jederzeit wert, schon gar mit der fabelhaften Garnitur aus Butterbröseln, Karfiol und Belper Knolle, die Zinter ihm angedeihen lässt: So soll Ostern schmecken, danke sehr. Und den Muskat-Ottonel (ernsthaft!) von Lichtenberger y Gonzalez aus Breitenbrunn gleich dazu.

Coq au Vin blanc vom sechsmonatigen Gockel ist ebenfalls gut investiertes Geld (26,- Euro, siehe Bild), mit fabelhaftem Spargel-Erbsenragout im Kochsalatblatt und hochfeinem Zwiebelpüree. Hinterher müssen gebackene Mäuse sein – ob knackig marinierter Rhabarber dazu passt, darf aber stark bezweifelt werden. Wir wollen Sirup, wie sich's gehört! Oder meinetwegen Marmelade.

Die Speisekarte ist mit fünf Gerichten dezidiert knappgehalten. Ein paar Positionen aber kommen noch dazu. Das grandiose Brot von Feierabend, der Käse und die Luftschinken aus der Vitrine jedoch helfen einem jetzt schon, wenn nach dem Essen noch Unterlage für weitere Herrlichkeiten aus dem Keller vonnöten sein sollte. (Severin Corti, RONDO, 14.4.2017)

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