Foto: AReuters

Die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft und Arbeitswelt gefährdet mittelfristig rund 9 Prozent aller Jobs (360.000 Stellen) in Österreich. Auf Hilfsarbeiter und Handwerker entfallen gemeinsam über 50 Prozent der bedrohten Jobs, geht aus einer heute veröffentlichten Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) hervor. Positive Effekte durch die Digitalisierung wurden nicht geschätzt.

"Per saldo könnte es sogar positive Effekte auf den Arbeitsmarkt haben", sagte IHS-Chef Martin Kocher am Mittwoch bei der Studienpräsentation. Die Auswirkungen seien "weniger dramatisch als kolportiert." Die Einführung des PC habe im Saldo auch zu mehr Jobs geführt, erklärte Kocher. Aber auch nicht automatisierbare Jobs würden sich in den nächsten fünf bis 15 Jahren maßgeblich verändern, zum Beispiel gebe es immer mehr digitale Diagnoseunterstützung für Ärzte.

Effekte der Digitalisierung, Automatisierung und Industrie 4.0

Das IHS hat im Auftrag des Sozialministeriums die Effekte der Digitalisierung, Automatisierung und Industrie 4.0 auf den Arbeitsmarkt und die einzelnen Berufsgruppen untersucht. Die Ökonomen des deutschen ZEW-Instituts kamen Mitte 2016 zu dem Schluss, dass Österreich und Deutschland im Vergleich von 21 OECD-Staaten am stärksten von der fortschreitenden Digitalisierung betroffen sein werden. Laut ZEW sind 12 Prozent der Jobs in Österreich und Deutschland durch weitere Automatisierung gefährdet, in Südkorea sind es hingegen nur 6 Prozent. Österreich ist laut OECD-Studie stark betroffen, weil zahlreiche niedrig und mittel qualifizierte Arbeitskräfte hierzulande derzeit noch leicht zu automatisierende Tätigkeiten durchführen.

In Österreich lag die Arbeitslosenquote von Pflichtschulabsolventen zuletzt bereits bei 28 Prozent. Durch die Automatisierung wird der Druck auf Arbeitskräfte mit geringer Ausbildung weiter steigen. IHS-Chef Kocher fordert daher von der Politik und den Unternehmen "möglichst treffsichere Qualifikationsprogramme" und "ein die Digitalisierung antizipierendes Bildungssystem". Es gebe "keine Entwarnung für den Arbeitsmarkt, was die Digitalisierung betrifft". Laut IHS-Schätzung sind 30 Prozent der Hilfsarbeitskräfte-Jobs von Automatisierung bedroht, 19 Prozent der Handwerker, 18 Prozent der Maschinenbediener und 11 Prozent der Dienstleistungsberufe. Eine geringe Automatisierungswahrscheinlichkeit gibt es bei Führungskräften, akademischen Berufen und Technikern. "Entwarnung kann vor allem für Berufe, in denen Kreativität, soziale Intelligenz und Flexibilität gefragt sind, gegeben werden. Diese Tätigkeiten sind so gut wie gar nicht durch die Digitalisierung betroffen", erklärte Studien-Mitautorin Gerlinde Titelbach.

47 Prozent der US-Jobs von Automatisierung bedroht

Für Aufsehen hat eine Studie der Wissenschafter Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der Universität Oxford im Jahr 2013 gesorgt, wonach 47 Prozent der US-Jobs von Automatisierung bedroht sind. Die IHS-Studienautoren haben für ihre Schätzung einen Bericht des ZEW-Ökonomen Holger Bonin aus dem Jahr 2015 herangezogen, welcher die Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland überträgt, aber die Automatisierungspotenziale der einzelnen US-Berufe kritisch berücksichtigt. Das IHS hat basierend auf den US-Daten den Anteil der Tätigkeitsstruktur, der durch Maschinen oder Algorithmen substituierbar ist, für alle Beschäftigten in Österreich sowie auf Ebene der neun Berufshauptgruppen und der detaillierteren 43 Berufsgruppen berechnet. Im Unterschied zu Frey und Osborne haben die IHS-Forscher individuelle Tätigkeitsstrukturen der Erwerbstätigen berücksichtigt. Wenn mehr als 70 Prozent der Aufgaben eines Arbeitsplatzes durch maschinelle Prozesse übernommen werden können, gilt dieser Job mittelfristig als gefährdet. (APA, 12.4. 2017)