Ein Geschäft mit christlichen Devotionalien im Stadtteil Shubra im Norden Kairos. Die Kopten werden zunehmend Opfer von Anschlägen und Übergriffen. Das Regime versucht sie zu schützen – mit repressiven Maßnahmen.

Foto: AFP/Khaled Desouki

Nach zwei Anschlägen auf Kirchen in den Städten Tanta und Alexandria am Palmsonntag ließ der ägyptische Präsident Abdelfattah al-Sisi den Ausnahmezustand, zunächst auf drei Monate beschränkt, ausrufen. Zusätzlich kündigte er die Beteiligung militärischer Kräfte an polizeilichen Aufgaben sowie die Bildung eines Rates für die Bekämpfung des Terrorismus an: Maßnahmen, die weitere Restriktionen für die Zivilgesellschaft bedeuten.

Der Ausnahmezustand stellt eigentlich für Ägypten keine Neuheit dar – bereits unter Präsident Hosni Mubarak wurde er alle drei Jahre verlängert und konnte somit mehr als dreißig Jahre lang durchgehend bestehen bleiben. Die Notstandgesetzgebung ermöglicht es dem Regime, Personen sowie Orte ohne gerichtliche Genehmigung zu durchsuchen, den Briefverkehr zu überwachen, die Bewegungs-, Demonstrations- und Pressefreiheit einzuschränken, öffentliche Einrichtungen zu schließen, Gebiete abzusperren sowie Zivilisten vor Militärgerichte zu stellen. Neben Freiheit und Gerechtigkeit zählte die Aufhebung des Ausnahmezustandes zu den Kernforderungen der Revolution von 2011.

Zwar wurde infolge von Mubaraks Abgang der Ausnahmezustand aufgehoben, aber die Sicherheitskräfte, vor allem das Militär, behielten große Vollmachten. Seit der Intervention des Militärs im Juli 2013 wurden tausende Zivilisten vor Militärgerichte gestellt, die Opposition wird unterdrückt. Die Ausrufung des Ausnahmezustandes bedeutet einen weiteren Schritt in Richtung eines repressiven autoritären Systems.

Es ist zu befürchten, dass ähnlich wie unter Mubarak der Ausnahmezustand wieder zur Norm wird. Sisi legitimiert seine autoritäre Politik mit dem Argument, dass Ägypten der Bedrohung durch interne und externe Feinde ausgesetzt ist. Nicht näher definierte Kräfte hätten es auf die Einheit und wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens abgesehen.

Er spricht damit angesichts der Instabilität in der gesamten Region tief sitzende Ängste und das Bedürfnis der Menschen nach Stabilität und Sicherheit an. Damit legitimierte er bereits die Zerschlagung und Kriminalisierung der Muslimbruderschaft, die Verfolgung anderer Oppositioneller und die fortschreitenden Einschränkungen für die Zivilgesellschaft. Indem er die Vernichtung sämtlicher Feinde der Nation androht – wer Feind und wer Freund ist, bestimmt das Regime -, stilisiert er sich zum Beschützer der Nation und Bollwerk im Krieg gegen den Terror.

Die restriktive Politik des Regimes konnte aber offensichtlich nicht wie versprochen für mehr Sicherheit sorgen. Bereits im Dezember 2016 erschütterte ein Anschlag auf eine koptische Kirche Kairo. Die Sicherheitslage auf dem Sinai bleibt angespannt. Laut kuwaitischen Quellen soll der Haupttäter vom Palmsonntag den Sicherheitskräften sogar bekannt gewesen sein.

Eine Neuheit stellt der geplante Rat für die Bekämpfung des Terrorismus dar. Auch wenn bislang die Zusammenstellung des Rates unklar ist, soll dieser in sicherheitsrelevanten Bereichen eine zentrale Instanz darstellen. Der Rat soll so zum Beispiel Maßnahmen beschließen und Gesetze erlassen können und bei Bedarf auch Einfluss auf mediale und religiöse Diskurse nehmen.

Sisi rief in seiner Rede vom Sonntag die ägyptischen Medien dazu auf, in ihrer Berichterstattung auf Fragen der nationalen Sicherheit Rücksicht zu nehmen. Dies beinhaltet die Forderung, terroristischen Ereignissen wie jenem vom Sonntag weniger Raum zu geben. Auch religiöse Prediger wurden von Sisi in Verantwortung genommen. Sie sollten hinterfragen, inwieweit ihre Predigten einen Nährboden für Hass und Aggression gegen Christen liefern. Schon 2015 rief Sisi in Reaktion auf den Aufstieg des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) zu einer notwendigen "religiösen Revolution" auf. Der islamische Diskurs soll kontrolliert werden.

Auf Regierungskurs

Es soll auch zu einer durch den Staat gelenkten Öffnung kommen. Ägypten kündigte vor einigen Monaten sogar an, auch Frauen zur Predigt zuzulassen. Dies könnte positiv interpretiert werden, allerdings verbirgt sich dahinter keineswegs die Absicht, eine kritische und freie Auseinandersetzung mit religiösen Quellen anzukurbeln, sondern eher ein weiterer Versuch, den religiösen Bereich den Erfordernissen des Regimes zu unterwerfen. Al-Azhar, Ägyptens höchste religiöse islamische Instanz, ist bereits seit längerem auf Regierungskurs geschaltet. Damit kann Sisi den Islam für eigene Zwecke instrumentalisieren.

Nach innen und außen werden diese Maßnahmen als Prävention gegen Islamismus und Radikalisierung kommuniziert. Dies fördert auch das internationale Ansehen des Regimes.

Der Kampf gegen den Terrorismus scheint auch auf internationaler Ebene die Kritik an autoritärer Herrschaft in den Hintergrund zu rücken. Anfang April sagte US-Präsident Donald Trump während Sisis Besuchs im Weißen Haus, seine Unterstützung zu. Darauf ist das Land angesichts der schwierigen Wirtschaftslage angewiesen.

Lob aus der EU

Für die Flüchtlingspolitik der EU ist Ägyptens Präsident ein unverzichtbarer Partner – dies bekundete auch Österreichs Außenminister Sebastian Kurz. Der damalige deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ging so weit, Sisi als "beeindruckenden Präsidenten" zu bezeichnen. Damit stellt die westliche Gemeinschaft – wie schon zu Zeiten von US-Präsident George W. Bushs "war on terror" – Stabilität und Sicherheit vor demokratische Prinzipien.

Die Anschläge vom Sonntag verdeutlichen jedoch, dass restriktive Maßnahmen und die Kontrolle der Zivilgesellschaft Terrorismus nicht verhindern können, wenn dies auch vom ägyptischen Regime so suggeriert wird. Eine Politik der Unterdrückung und Ausschaltung jeglicher oppositionellen Kräfte kann langfristig nicht für Stabilität sorgen, sondern ganz im Gegenteil: Das Fehlen demokratischer Ausdrucksmöglichkeiten kann Radikalisierung sogar begünstigen. (Sherin Gharib, 12.4.2017)