Ich war 17, als ich 2007 in Graz zu den Jungen Grünen kam. Wir hießen damals noch anders, hatten aber dasselbe Ziel. Die Jungen Grünen in der Steiermark waren zu dieser Zeit einzigartig. Größer als alle anderen Landesorganisationen zusammen. Ein wilder Mix aus Leuten – alle, vom Jäger bis zur Tierrechtlerin hatten bei uns Platz. Die Partei war meistens weit weg, auch weil wir damals im Refugium der Parteiakademie untergebracht waren. Dort wurde immer relativ entspannt und grundsätzlich diskutiert – während der Arbeitspausen oder abends bei verschiedensten Veranstaltungen. Überhaupt kamen viele verschiedene Menschen zusammen – unser Büro war Treffpunkt für Leute aus den verschiedensten Bereichen. Auch für die Sozialistische Jugend Graz, mit der wir oft enger zusammenarbeiteten als mit unseren eigenen Dachorganisationen. Die teilweise ausschweifenden Feiern waren manchen oft ein Ärgernis, aber sie führten zu den besten Ideen.

Gleichzeitig mit den Jungen Grünen entstanden viele andere Projekte, in deren Dunstkreis wir uns bewegten. Das Elevate-Festival wurde beispielsweise aus der Parteiakademie mit herausgeboren. Manche von uns beteiligten sich an einer aktiven Hausbesetzungsbewegung, um mehr Freiräume in Graz zu erschließen. Wir waren auch führend dabei, die Infrastruktur für die "unibrennt"-Hörsaalbesetzung zu stellen, in Graz lösten wir die Bewegung mit aus. Als damals die Nachricht von der Besetzung in Wien kam, gingen wir in unser Büro, fabrizierten ein stümperhaftes Transparent und Flugblätter, stellten uns damit vor die Uni. Die Dynamik ging dann schnell weit über unseren Anstoß hinaus. Wir hatten tagelange Marx-Seminare, konzipierten monatelang ein antifaschistisches Brettspiel, unsere Zeitung trug den Namen "Froschschenkel". Vieles wurde ausprobiert. Wir trennten uns von Projekten, die nicht erfolgreich waren, starteten mit viel Elan neues.

Solides Fundament

Ziel war immer, unsere Arbeit auf ein solides Fundament stellen: Ein Bein stand auf einer starken Organisationsstruktur und Lernbereitschaft, das andere tief in politischer Leidenschaft, zum Teil an der Grenze zum Wahnsinn. Wir gingen Projekte an, wo andere sagten, das habe keinen Sinn. Wir waren bei der Gründung der Global Young Greens dabei und retteten diese bei einem Krisentreffen vor der vorzeitigen Auflösung mit. Im europäischen Dachverband wurden wir Grazer schon zur Legende und stellten mehr als 13 Jahre die einzigen kontinuierlichen Vertreter aus einer Ortsgruppe bei der Federation of Young European Greens (FYEG). Wir zogen die "I love my vagina"-Kampagne, die die Jungen Grünen 2013 erstmals bundesweit umsetzten, zum ersten Mal hoch und hatten auch auf dem Land tolle Bezirksgruppen, die über die Jahre Veranstaltungen mit insgesamt tausenden Leuten machten.

Dabei entwickelten wir uns weiter, hatten das Glück, von vielen Leuten zu lernen, uns das Beste von ihnen abzuschauen. Aber wir nahmen uns auch den Raum, Fehler zu machen – und sind so ziemlich weit gekommen. Wir hatten engen Kontakt zur Hochschulfraktion, die sich heute Grüne Studierende nennt. Mit der steigenden Verantwortung, die sie in der Hochschulpolitik in Graz einnahmen, hatten wir immer wieder auch die AktionsGemeinschaft zum Streiten zu Gast.

Diskussion und Konflikte

Wir legten immer Wert darauf, viel zu diskutieren, und versuchten, so gut es ging, andere von unseren Ideen zu überzeugen. Natürlich gab es auch interne Konflikte, viele kamen und gingen. Manche verließen die Jungen Grünen im Groll, manche, weil sie in der halben Welt Fuß gefasst hatten.

Wir sahen das große Potenzial, das sich aus dem spezifischen Netzwerk in Graz ergeben hat, konnten es oft gut, manchmal nur begrenzt nutzen. Wir waren immer wieder überfordert und investierten am Beginn zu wenig in eine gute Organisationskultur. Wir hatten trotzdem einigen Erfolg, weil wir uns nie um unser vielfältiges Programm zugunsten einer "einzigen Wahrheit" bringen ließen. Wir wollten Kohärenz im Gelernten hervorbringen, nicht im Gelehrten. Diese Erfahrungen brachten uns dann auch beim Aufbau der Bundesorganisation der Jungen Grünen viel. In der Bundesorganisation wollten wir vieles neu und besser machen, was in der Grazer Gruppe noch nicht gut genug war. Das ist uns auch gelungen.

Soziale Codes

Ich bin ein Kind aus dem Arbeitermilieu. Bei den Grünen hatte ich es immer schwer, die sozialen Codes zu verstehen. Ich fand gut, wofür die Grünen standen, hatte aber oft den Eindruck, die grüne Parteispitze wusste nicht, wie groß der Unterschied unserer Lebensrealitäten war. Trotzdem konnte ich mich lange bereichernd bei den Jungen Grünen einbringen. Mich hat es irgendwann nach Bremen verschlagen – in Graz war zu der Zeit der Aufbau der Bundesorganisation der Jungen Grünen schon weit fortgeschritten. Auch nach zehn Jahren sehe ich mich noch als eine von ihnen.

Ich war immer beeindruckt von der Wandlung, die dieser chaotische Haufen vollzogen hat. Wie groß der Erfolg war, Menschen einzubeziehen, sie zu befähigen und zu sehen, was sie dann selbstständig daraus machen. So sind seit einigen Jahren auch immer mehr starke Frauen in Führungsverantwortung gekommen. Ganz anders als früher, als es noch absolute Konsensentscheidungen und eine irrationale Ablehnung von Verantwortungspositionen gab – Empowerment entsteht nicht durch das Verleugnen, sondern das Übernehmen von Führungspositionen. Wir haben immer versucht, sexistische Strukturen bei uns selbst zu sehen, sie nicht als Schuldfrage verhandelt, sondern als Aufgabe, die politisch bewältigt werden muss. Frauenförderung ist bei den Jungen Grünen eine Frage von Bewusstsein und Organisationsstruktur.

Aus einer Gruppe wurden viele

Die Jungen Grünen sind ein großartiger Raum geworden, ein Ort, an dem ein wunderschönes Miteinander von Menschen stattfindet, die ihre verschiedenen Ansichten respektvoll, aber bestimmt ausdiskutieren. Sie sind sicher nicht perfekt, aber so viel Kraft und Willen zur Professionalität, gleichzeitig auch ein Bekenntnis dazu, dass Politik immer (wenigstens meistens) auch Spaß machen muss – das habe ich sonst nirgendwo gefunden.

Die Grazer Gruppe ist inzwischen nicht mehr die dominierende Bezirksgruppe. Sie ist eine von vielen aktiven Gruppen, die versuchen, immer wieder neue Wege zu gehen. Die momentane Führungsgeneration hat unvorstellbare Kraft und Mut in diesem Konflikt mit der autoritären Parteiführung bewiesen. Dafür brauchten sie keine Grazer Zelle: Aus einer Gruppe wurden viele – man könnte das Organisationsaufbau nennen. Es ging uns darum, mit der klassischen Logik von Parteipolitik zu brechen: breite Demokratisierung von unten statt individuellem Wettlauf um Geld, Macht und Posten. Die Führungsgeneration rund um Flora Petrik ist die erste, in der die Grazer Gründungsgeneration nicht mehr vertreten ist. Sie ist zwar sehr jung, aber extrem talentiert.

Von der grünen Partei kritisch beäugt

Meiner Erfahrung nach war der grünen Partei noch nie an einer breiten Jugendorganisation gelegen. Es gab immer wieder Versuche, einzelne von uns isoliert in den Parteiapparat zu absorbieren, als Organisation wurden wir meist kritisch beäugt. Ich denke, die Jungen Grünen sind für die Partei zu groß geworden, zu erfolgreich. Einen anderen Grund kann ich nicht finden: Trotz allen Konflikten, die in den vergangenen Wochen aufbrachen, waren die Jungen Grünen noch nie so konstruktiv und so stark für die Partei aktiv wie heute – schon gar nicht zu meinen Zeiten in Graz.

Es ist ein Konflikt zweier Logiken: Auf der einen Seite der ängstliche Apparat mit seiner abgekapselten Führung. Auf der anderen Seite die Jungen Grünen und viele Ehrenamtliche in der Partei, die vor Idealismus und Wachstumsdrang strotzen. Die sich nie die Posten in der Partei als Ziel gesteckt haben – doch das scheint der Apparat nicht zu begreifen. Die Jungen Grünen wollen für Politik begeistern, mit ihren Utopien faszinieren und die Leute ermächtigen, selbstbewusst ihr Leben zu gestalten – das kann man nur gemeinsam lernen, dafür braucht es einen gut strukturierten Ort, dafür gibt es diese Jugendorganisation.

Entzauberte Partei

Die grüne Partei hat sich durch ihr Verhalten in den vergangenen Tagen völlig entzaubert und regiert nur noch autoritär und übergriffig. Sie wirkt panisch und irrational. Selbst bei ÖVP und SPÖ pflegt man einen demokratischeren und entspannteren Umgang miteinander. Die Jungen Grünen speisen sich aus der Lust, miteinander zu arbeiten und die Gesellschaft verändern zu wollen. Es wird einen demokratischen Aufbruch von unten brauchen, sofern wir die Demokratie retten wollen. Flora Petrik und die Jungen Grünen werden mit ihrer politischen Zielgerichtetheit bestimmt einen Beitrag dazu leisten. (Sarah Pansy, 14.4.2017)